München
Deep Purple auf Abschiedstournee

"The Long Goodbye": Die Hardrock-Heroen machen auf ihrer wohl letzten Konzertreise in der Münchner Olympiahalle Station

21.05.2017 | Stand 02.12.2020, 18:05 Uhr

München (DK) Sie weigern sich, nur die Verweser ihrer glorreichen Vergangenheit zu sein. Sie wollen nicht als Coverband ihrer eigenen Oldies um den Globus tingeln. Deep Purple beweisen bei ihrem Konzert am Freitagabend in der Münchner Olympiahalle Mut zum Risiko.

Dabei könnten es sich die Hardrock-Heroen nach knapp fünf Jahrzehnten leicht machen. Alleine ihre Gassenhauer würden locker für einen fünfstündigen Auftritt reichen.

Doch was machen Deep Purple? Die fünf ergrauten Herren - drei über 60, zwei jenseits der 70 - wollen zeigen, dass ihnen die Ideen noch lange nicht ausgegangen sind. Sie starten mit ihrem Kracher "Time For Bedlam" vom brandneuen Studioalbum "Infinite" in die knapp zweistündige Show. Später gibt es noch drei weitere Nummern von dieser Scheibe, die zwar die Purple-Gene aufweisen, sich aber in den Gehörgängen der Fans noch lange nicht festgefressen haben. Auch das famo-se vorletzte Album "Now What!" kommt zweimal zu Ehren. Fazit: Mit rund einem Drittel neuer Songs in der Setlist präsentieren die Best Ager eine verblüffende Innovationsfähigkeit.

Freilich hagelt es in der zweiten Hälfte und bei den Zugaben die Hits: "Perfect Strangers", "Space Truckin €˜", "Highway Star", "Black Night" und "Hush". Das inzwischen sogar von Blasmusikcombos bei Volksfesten totgenudelte "Smoke On The Water" wird vom Publikum in der zu zwei Dritteln gefüllten Olympiahalle frenetisch begrüßt. Die Nummer mit dem markanten Gitarrenriff wird Deep Purple definitiv überleben. Und die Urheber wissen, was sie ihren treuen Fans schuldig sind, deren Alter grob geschätzt zwischen 17 und 77 rangiert. Es sitzen nicht wenige junge Leute im weiten Rund, die zu seligen "Made in Japan"-Zeiten noch nicht einmal angedacht waren. Da sich das Bühnenposing der fünf Hauptdarsteller altersbedingt in engen Grenzen bewegt, wird der Auftritt mit Filmeinsprengseln und einer stimmigen Lightshow verstärkt. Sein goldenes Glitzersakko der Marke Geschmacksverirrung legt Sänger Ian Gillan glücklicherweise schon nach zwei Minuten ab. Seine stimmlichen Fähigkeiten sind - seien wir gnädig - passabel. Aber immerhin hat der Mann die Olympiahalle erstmals 1973 beschallt. Zur Erinnerung: Das war ein Jahr nach den Olympischen Spielen in München. Damals war auch schon Schlagzeuger Ian Paice dabei, und er ist immer noch das unbeirrbare Kraftwerk der Band. Als heimlicher Boss im Ring fungiert der über alle rockmusikalischen Zweifel erhabene Bassist Roger Glover. Den musikalischen Direktorenposten hat offensichtlich Keyboarder Don Airey übernommen. Kaum ein Song ohne Solo von ihm. Und wenn er wie weiland sein gestorbener Vorgänger an der Orgel "Muss i denn zum Städtele hinaus" anklingen lässt, sieht man Jon Lord im Hardrockerhimmel lächeln. Das 62-jährige "Nesthäkchen" Steve Morse zählt zu den technisch versiertesten Gitarristen auf dem blauen Planeten. Das stellt er schon fast ein wenig zu selten heraus, doch Morse ist im Gegensatz zu dem erratischen Egomanen Ritchie Blackmore ein Teamplayer. Der Saitenhexer und der Tastenderwisch verleihen selbst den 1000-mal gehörten Nummern immer neue frische Noten.

"The Long Goodbye Tour" haben Deep Purple ihre möglicherweise letzte Konzertreise genannt. Bleibt nur zu hoffen, dass sich dieser Abschied noch möglichst lange hinzieht. Die Coverbands, die danach den Stab an sich reißen werden, dürften nur noch tumbe Wiederkäuer der Purple-Klassiker sein.