München
Bilder einer Schattenwelt

Faszinierende Schau des rumänischen Künstlers Victor Man im Haus der Kunst

29.10.2014 | Stand 02.12.2020, 22:03 Uhr

Verstörend: Im Zyklus „Kerzenmacherin“ macht der rumänische Künstler Victor Man zahlreiche Anspielungen auf christliche Kunst und auf Kirchengeschichte. So kann sich der Betrachter fragen, ob diese Frau den abgetrennten Kopf eines Märtyrers küsst oder eine Pietà darstellt - Foto: Mathias Schormann

München (DK) Ein junger Mann in Denkerpose balanciert einen kleinen, schwarzen Totenkopf auf seinem Handrücken. Meditiert er sein Sterben? Ein anderes Bild zeigt einen Priester – unter dem Rahmen hängt ein braunes Tierfell. Ist dies eine sexuelle Anspielung? Tod und Erotik – das sind ganz deutlich die Pole, mit denen sich die Malerei von Victor Man auseinandersetzt.

Jetzt sind die geheimnisvollen Bilder des rumänischen Künstlers im Münchner Haus der Kunst zu sehen.

Der Maler und Bildhauer, der 1974 in der siebenbürgischen Stadt Cluj (Klausenburg) zur Welt kam, hat dort im Haus seiner Großmutter ein Atelier – und ein zweites in Berlin. Zusammen mit den Künstlern der von ihm zusammen mit Mihai Pop und Adrian Ghenie gegründeten Galerie Plan gestaltete er 1998 den rumänischen Pavillon auf der Biennale in Venedig. Danach wurde er zum Geheimtipp für Kunstkenner. Seit 2008 hat die Galerie Plan B eine Dependance in Berlin. Victor Man wird außerdem von einer weiteren Galerie in Berlin vertreten. In diesem Jahr ernannte ihn die Deutsche Bank zum „Künstler des Jahres“ und zeigte seine Werke im März entsprechend zunächst in ihrer Kunsthalle in Berlin. Danach war die Ausstellung mit Bildern aus den vergangenen sieben Jahren in Warschau zu sehen.

Nun wurde sie in der Nordgalerie im Haus der Kunst geradezu mit sakraler Atmosphäre inszeniert: Auf dunkelgrauen Wänden hängen die kleinformatigen Gemälde wie Ikonen, die von engen Spots kunstvoll ausgeleuchtet werden und den Raum im Halbdunkel lassen. Der Titel der Schau lautet: „Zephir“. Das dichterische Wort beschreibt normalerweise einen milden Wind – der Katalog zitiert jedoch eine Kurzgeschichte des rumänischen Autors Alexandru Monciu-Sudinski, der den süßlichen Geruch von Tierleichen beschreibt.

Der Künstler selbst versteckt sich vor dem Kunstbetrieb, er liefert keine Erklärungen seiner Werke und besucht keine Pressekonferenzen. Warum Okwui Enwezor als Direktor im Haus der Kunst diese Scheu zum Anlass nimmt, auf der anberaumten Pressekonferenz in seinem eigenen Haus die Ausstellung von Victor Man mit Schweigen zu übergehen, bleibt nicht nur unverständlich, sondern auch peinlich. Diese Ignoranz hat der Künstler nicht verdient.

Wer sich einlässt auf die hermetische Welt von Victor Man, der betritt ungesichertes Terrain. Einige Bildtitel überraschen mit Anspielungen auf die christliche Kunst, etwa „Teufel quälen den Einsiedler Sankt Antonius“ oder „nach dem Kindermord von Bethlehem“. Ein ganzer Raum mit sechs Werken ist den „Kerzenmachern“ gewidmet und zeigt eine Person mit abgetrenntem Kopf im Schoß – eine Anspielung auf Märtyrer der Kirchengeschichte? Eine Frau beugt sich über den Kopf eines toten Mannes, küsst seine Stirn – ist es eine Pietà, eine Darstellung des Gekreuzigten mit seiner Mutter?

All dies wird in dunklen, schwarz abgetönten Farben gemalt – selbst ein helles Gelb hat kaum Leuchtkraft in dieser Schattenwelt. Auf den ersten Blick ist alles gut lesbar mit den Augen, denn Victor Man beherrscht eine Malweise, wie sie wohl nur noch an Akademien in Polen und anderen ehemaligen Ostblock-Staaten gelehrt wird. Aber die Tradition einer akademisch-realistischen Malweise wird konfrontiert mit Bildinhalten, die mehr Fragen stellen, als Antworten liefern. Der Fantasie der Betrachter werden Tür und Tor geöffnet – und dennoch wirkt alles kafkaesk und rätselhaft.

Wer die derzeit noch laufende laute und monumentale Baselitz-Ausstellung im Haus der Kunst anschaut, der sollte also nicht versäumen, diese leise, faszinierende und berührende Schau von Victor Man zu besuchen.

Bis zum 11. Januar im Münchner Haus der Kunst zu sehen, geöffnet täglich von 10 bis 20 Uhr, donnerstags bis 22 Uhr.