München
Bedrohlich und doch poetisch

Der kanadische Künstler Abbas Akhavan verwandelt die Villa Stuck in München mit seinen Installationen

12.07.2017 | Stand 02.12.2020, 17:48 Uhr

Abbas Akhavan: "If the first metaphor was animal", 2017. - Foto: Jann Averwerser

München (DK) Ferne Schüsse sind zu hören. Über die Straße eilen Menschen und hasten alle in eine Richtung. Kinderstimmen werden laut - und wieder ferne Schüsse. Die Kamerafahrt ist holprig, meist sieht man nur den Asphalt und rennende Beine. Dann, endlich, richtet der Kameramann das Objektiv zum Himmel. Zu sehen sind langsam herabregnende Feuerspuren, glitzernd und bunt. Die Menschen auf der Straße sind zu einem Feuerwerk geeilt - und nicht in einen schützenden Bunker. Diese Auflösung nach fünf Minuten Ungewissheit ist wie eine Erlösung, die der Künstler Abbas Akhavan kunstvoll inszeniert mit langsam sich entfaltenden Raketenblumen am nächtlichen Himmel.

Der kanadische Künstler, 1977 in Teheran geboren und jetzt in Kanada lebend, hat auf Einladung der Villa Stuck fast das gesamte Haus verwandelt. Akhavan hat kein Atelier - er arbeitet vor Ort und prüft die dortigen Gegebenheiten, um seine großen Themen in Szene zu setzen: Abgrenzungen sichtbar zu machen und die Menschen zu berühren. In nur drei Wochen hat er in die Räume des Malerfürsten eingegriffen, hat aus Thuja-Pflanzen eine grüne Wand im Raum errichtet, Fenster geöffnet oder zumindest wieder sichtbar gemacht hinter Wandverkleidungen. Er hat auf dem unzugänglichen Schlafzimmer-Balkon der Künstlervilla das blaue Unesco-Schild ausgelegt, das auf ein Kulturdenkmal hinweist, damit es aus der Luft, aus der Perspektive eines Flugzeugpiloten, erkennbar wird, und damit eine potenzielle Bedrohung abgewendet werden könnte. Und er hat von einem anderen Balkon aus Feuerspuren in den Innenraum gelegt, schwarzer Ruß zieht sich von der Fensterlaibung die Decke hinauf als Zeichen einer Gefahr von außen.

Keine Frage: Abbas Akhavan verarbeitet terroristische Bedrohungen, wie sie auf der halben Welt alltäglich sind, auf eine fast poetische Weise, und er trägt ihre Zeichen und Spuren in unsere gesicherte und scheinbar heile Welt hinein. Im Obergeschoss des Atelierbaus hat er schwarze Erde zusammengepresst und aus diesem Material Löwentatzen geformt in der Art babylonischer Kunst. Diese Erd-Kunst wird trocknen, zerbröseln und zerfallen, ohne dass die Truppen des IS zum Sprengstoff greifen müssen - aber all diese Nachrichten von Kulturzerstörungen schwingen mit, wenn dieser Künstler einen Ort verwandelt.

Ein kleiner Eingriff gelang ihm auch in den historischen Räumen von Franz Stuck, wo unter einer Bank jetzt ein schlafender Fuchs ruht - ausgestopft zwar, aber eben nicht als Räuber der Tiere dargestellt, sondern geborgen und ruhend. Hier hat Franz Marc Pate gestanden, der vor und im Ersten Weltkrieg die Tiere als unschuldige Bewohner eines Welt-Paradieses malte und zeichnete. Wir aber, so die Botschaft von Akhavan, sperren die Natur in einen Klima-Schrank: volle Eimer mit Rosen, Sonnen- und Kornblumen stehen gekühlt und unter künstlicher Beleuchtung hinter Glas, und in den Vitrinen des Museums stehen keine Exponate, sondern warten Sandsäcke auf ihren nächsten Katastropheneinsatz.

Eine scheinbare Idylle schließlich auf der Terrasse im Garten: Ein rechteckiges Becken ist mit einem dunklen Spiegel und einer dünnen Schicht Wasser gefüllt, darüber tropft aus einem dünnen Schlauch Wasser. Auf den ersten Blick ein Beitrag zur Gartenkultur - aber in Istanbul, wo diese Arbeit auch gezeigt wurde, erinnerte das stetige Tropfen manche Ausstellungsbesucher an Foltermethoden. Und das ist die innerste Botschaft dieser ungewöhnlich einfachen Kunst-Installationen von Abbas Akhavan: Kunst wird immer im Kontext verstanden, und alle Konnotationen und Assoziationen werden von Zeit und Umständen hinzugetragen. Das Kunstwerk selbst kann sich gegen den "Beigeschmack" nicht wehren, dass Schüsse als Gewehrsalven verstanden werden - obwohl es Festtagsraketen sind. Eine wirklich berührende Ausstellung, die Verena Hein als Kuratorin in der Villa Stuck geglückt ist.