München
Auf Europareise

Die Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung in München zeigt in einer Wanderausstellung 99 Meisterwerke der Dresdner Gemäldegalerie

29.08.2014 | Stand 02.12.2020, 22:18 Uhr

München (DK) Dichterfürst Goethe schwärmte: „Es ist ein unglaublicher Schatz aller Art an diesem Orte.“ Und Herder formulierte den bis heute noch geläufigen Titel „ein deutsches Florenz“. Anlass für die bis heute anhaltende Begeisterung für die sächsische Stadt an der Elbe sind nicht nur das Stadtensemble, vor allem ist es die Dresdner Gemäldegalerie, die mit jährlich einer halben Million Gästen zu den bestbesuchten Museen Deutschlands gehört.

Eine seit Ende 2013 laufende Sanierung des von Gottfried Semper errichteten Galeriebaus hat nun die Wanderausstellung „Rembrandt, Tizian, Bellotto – Geist und Glanz der Dresdner Gemäldegalerie“ ermöglicht. Erste Station ist die Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung in München, bevor sie in die Niederlande und nach Österreich weiterzieht.

Das passt sehr gut, steckt hinter den 99 Meisterwerken von Künstlern wie Carracci, van Dyck, Velázquez, Lorrain, Watteau und Canaletto auch der europäische Gedanke. Gezeigt wird nicht nur ein repräsentativer Querschnitt über die in Dresden bewahrten Schätze. Die Werke erzählen auch davon, wie Kunst und Künstler schon früh über Grenzen hinweg arbeiteten, zu Debatten anregten und für die Bildung der Gesellschaften in Europa impulsgebend waren. Sie sind Ausdruck der Besinnung auf die Werte der Individualität und Integrität des Einzelnen und des entstehenden bürgerlichen Selbstbewusstseins.

Sieben Stationen zeigen die Entstehung der Sammlung, Italien als Sehnsuchtsort, die Entwicklung des Menschenbildes am Beispiel der Porträtmalerei, erklären, wie und zu welcher Zeit die Genres bewertet wurden. Es geht um die Entstehung der Dresdner Kunstakademie am Ende des 17. Jahrhunderts nach dem Vorbild der Academie Royale in Paris und wie die Dresdner Akademie zur Entwicklung der Kunst hierzulande beitrug. Erstaunlich, dass ab 1783 dort Caroline Friederike Friedrich als einzige Frau unterrichtete. Sie malte zwar „nur“ Stillleben, also in einer Kunstgattung, die noch im 18. Jahrhundert weniger galt als die Historienmalerei. Doch wurde zu jener Zeit Frauen überhaupt noch kein eigenständiger Ausdruck in der Malerei zugestanden. Weshalb sie – eine weitere Station der Ausstellung – im Bereich der Kopien berühmter Gemälde in Miniaturen als Malerinnen häufiger vertreten waren.

Der Rundgang beginnt logischerweise in der höfischen Welt Sachsens. Denn es waren der sächsische Kurfürst und polnische König August II. („der Starke“, 1670–1733) und sein Sohn August III. (1696–1733) die mit Kunstwerken sich und ihre Macht standesgemäß zeigen wollten, die Galerie und die Akademie aufbauten und somit nicht nur berühmte Werke wie Raffaels Madonna nach Dresden holten, sondern auch Künstler wie den italienischen Maler Bernardo Bellotto. Ihre Sammelwut ist dabei typisch für den Barock, in allen europäischen Adelshäusern hatte ein Wettlauf um Meisterwerke begonnen.

Und das sind sie alle, die hier gezeigt werden, ob Bellottos „Dresden vom rechten Elbufer oberhalb der Augustusbrücke“, Diego Velàzquez’ „Porträt eines Christusritters“ oder Rembrandts „Ganymed“, den er entgegen bisheriger Darstellungen und der Tradition nicht als schönen Jüngling, sondern als weinenden und vor Angst urinierenden Knaben malte. Prachtvolle Stillleben wie de Heems „Memento Mori. Ein Totenkopf neben einem Blumenstrauß“ oder Caroline Friederike Friedrichs „Wein und Backwerk“ laden ebenso zum schwelgenden und ruhigen Betrachten ein wie die in Vedutenmalerei entstandenen Ansichten von Venedig. Diese legen Zeugnis ab von der Reiselust der Menschen, die ihre Erinnerungen nicht wie heute mit dem Fotoapparat, sondern durch die gekonnte Pinselführung anderer festhalten ließen.

Und da die Ikone der Dresdner Gemäldegalerie, die „Sixtinische Madonna“ Raffaels, seit ihrem Umzug von der Klosterkirche San Sisto in Piacenza nach Dresden im Jahr 1754 nicht mehr reiselustig ist, wird ein Video des Künstlers Christoph Brech gezeigt. Entstanden ist es 2014 bei Reinigungsarbeiten an der Glasscheibe eines anderen Gemäldes. Während des Wischens, das die Madonna ent- und verhüllt, ist das Kirchenlied „Oh Haupt voll Blut und Wunden“ in verlangsamter Weise zu hören. Beides lässt neue Deutungen der im Hintergrund sichtbaren Maria zu.

Die Ausstellung in der Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung München, Theatinerstraße 8, ist bis 23. November täglich 10 bis 20 Uhr zu sehen. Es gibt ein umfangreiches Begleitprogramm und einen Katalog.