München
"Auch ich bin Amerika"

Die traurige Aktualität der Fotografien von Gordon Parks Ausstellung in München

09.02.2017 | Stand 02.12.2020, 18:40 Uhr

Schattenseiten des American Way of Life: Parks wurde als der erste schwarze Fotograf und Filmregisseur bekannt, der landesweite Beachtung erhielt. - Foto: Gordon Parks/Courtesy of The Gordon Parks Foundation

München (DK) Amerika war das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Hier kam 1912 ein schwarzer Junge zu Welt, der als Klavierspieler in einem Bordell zu arbeiten begann, dann als Zugbegleiter, und der in einem Leihhaus eine Kamera kaufte. Als Autodidakt lernte er zu fotografieren - und aus Gordon Parks wurde ab 1948 ein bekannter Fotograf für das "Life"-Magazin, ab den 1960er-Jahren ein erfolgreicher Filmregisseur in Hollywood - unter anderem mit dem Detektivfilm "Shaft". Die Versicherungskammer "Kulturstiftung" stellt in ihrer Galerie 180 Fotografien von Gordon Parks vor unter dem Titel "I am you" (Ich bin du). Und diese Fotos zeigen das andere Amerika: Das Land der Rassentrennung, die Gewalt gegen Schwarze, die Armut der Farbigen. Gordon Parks schreibt dazu am 8. März 1968 im "Life"-Magazin: "Was du mich zwingst zu sein, ist das, was du bist. Denn ich bin du und starre zurück aus einem Spiegel der Armut und Verzweiflung, Auflehnung und Freiheit ... Auch ich bin Amerika."

Die Schlagzeile einer Extra-Ausgabe von 1963 lautet: "Sieben unbewaffnete Schwarze kaltblütig von der Polizei in Los Angeles erschossen." Gordon Parks fächert dieses Thema auf: Die hoffnungslose Armut schwarzer Familien, die Kriminalität in Harlem, die Unsichtbarkeit der Schwarzen in der Öffentlichkeit. Und Parks entwickelt für seine Fotoserien Stilmittel: Er sucht nach der Reihung, wie etwa Männerhüte von oben betrachtet, und er inszeniert Szenen, wie beispielsweise die Auseinandersetzung zwischen Polizisten und Schwarzen in einem engen Hausflur. Seine Fotos sind teilweise gestellt - aber sie wirken dennoch natürlich und spontan, weil er quasi als Regisseur eine Situation plant. Die Ausstellung beweist durch die Gegenüberstellung von frühen Fotografien und späteren Filmsequenzen, wie durchdacht Parks seine Aufnahmen in Szene setzte.

Und er tut dies mit unendlicher Geduld. Einen Schwarzen, der aus einem Kanaldeckel ins Licht des Tages schaut, nimmt Parks dutzendfach aus allen Perspektiven auf, bis er das Foto gefunden hat für den 1952 veröffentlichten Roman von Ralph Ellison: "Der unsichtbare Mann". Die Kamera liegt dabei auf dem Asphalt, das Auge des Fotografen ist sozusagen "ganz unten".

Parks hatte Zugang zur schwarzen Gesellschaft in Harlem - kein Weißer hätte 1948 bei den Unruhen in Harlem fotografieren können. Schon in den 1950er-Jahren steigt er auf Farb-Dias um und dokumentiert die Rassentrennung in den Südstaaten: Ein Eis-Kiosk mit getrennten Schaltern für Weiße und Farbige; farbige Kinder hinter dem Zaun eines Sportplatzes für Weiße. Aber Parks macht zwischen 1947 und 1978 auch Modefotografie mit weißen Models. Er porträtiert Ingrid Bergman ebenso wie Duke Ellington, Muhammad Ali und Malcolm X - aber auch den unbekannten Jungen Flavio aus den Slums von Rio de Janeiro, für dessen medizinische Behandlung er dank einer Bild-Strecke im "Life"-Magazin Spenden sammeln konnte.

Das Spätwerk des 2006 gestorbenen Fotografen Gordon Parks zeigt die Ausstellung nicht. Wie der Kurator Felix Hoffmann vom Berliner Ausstellungshaus C/O darstellte, versuchte sich Parks in der Kombination von Akt- und Landschaftsfotografie, aber diese sei ungenügend, wenn man künstlerische Kriterien anlege.

Umso aktueller sind angesichts der derzeitigen politischen Entwicklung in den USA Parks Fotografien vom "Marsch auf Washington" von 1963, als der charismatische Redner Martin Luther King den Massen zurief: "I Have a Dream" (Ich habe einen Traum). Für Gordon Parks Satz "Auch ich bin Amerika" müssen heute Farbige, Einwanderer und Muslime demonstrieren.

Bis zum 7. Mai in der Versicherungskammer "Kulturstiftung", Maximilianstraße 53, München, geöffnet täglich bei freiem Eintritt von 9 bis 19 Uhr.