München
Anti-Kriegsparabel mit Frauenpower

Tina Lanik inszeniert Jean-Paul Sartres Drama "Die Troerinnen des Euripides" im Münchner Residenztheater

12.03.2017 | Stand 02.12.2020, 18:31 Uhr

Troja ist zerstört. Die Troerinnen und ihre Königin Hekuba (Charlotte Schwab, hier mit René Dumont) trauern um die Toten. - Foto: Pohlmann

München (DK) Der zehnjährige Krieg um Troja hat die einst so schöne und stolze Stadt in eine Trümmerwüste verwandelt. Als Sinnbild der Zerstörung dient das Klassenzimmer eines Schulhauses. Die Stützpfeiler und die Mauern sind geborsten und der Boden mit Wasserlachen übersät (Bühnenbild: Stefan Hageneier). Doch einige Tische und Stühle sind in diesem Klassenzimmer unversehrt geblieben. Dreh- und Angelpunkt für die Regisseurin Tina Lanik, das Drama "Die Troerinnen" des griechischen Autors Euripides (485-406 v. Chr.) in der 1965 in Paris aufgeführten Bearbeitung durch Jean-Paul Sartre als ebenso lehrreiche wie überzeitliche Parabel über die Sinnlosigkeit und Menschenverachtung militärischer Auseinandersetzungen gerade in einer vom Krieg demolierten Schule als Aufklärungsstück anzusiedeln. Weshalb die Regisseurin den in antiken Schauspielen üblichen Chor als Volkes Stimme mit Schülerinnen und Mitgliedern des Münchner Mädchenchors besetzt hat. Eine tolle Idee, die gegenseitigen Schuldzuweisungen der weiblichen Protagonisten dieses Stückes bezüglich der Ursachen des Krieges mit jugendlich-pazifistischer Frauenpower zu konterkarieren.

Wie ein roter Faden zieht sich dieser Kontrast durch Tina Laniks ebenso flippige wie tief- schürfende Inszenierung: Einerseits prangert neben der Wut und Trauer der unter den Kriegsfolgen physisch und psychisch leidenden Mädchen die Seherin Kassandra (Meike Droste) das unausweichliche Schicksal der Versklavung der Frauen durch die Sieger in hinreißender Ekstase an. Andererseits verteidigt Hekuba (Charlotte Schwab) mit Larmoyanz, aber auch mit Stolz und Würde ihre Rolle als einstige Königin von Troja, während Andromache (Hanna Scheibe), die Mutter des künftigen Thronfolgers, und Helena (Juliane Köhler), die durch ihre Schönheit den Trojanischen Krieg ausgelöst hat, in dramatischen Selbstbeweihräucherungen geradezu schwelgen.

Die vier weiblichen Protagonisten sind zugleich Täter und Opfer, wobei Sartre und die Regisseurin die Männer nur als Statisten oder als Drahtzieher im Hintergrund sehen: Poseidon (Joachim Nimtz) darf hier mit lächerlichem Rauschebart und dem obligaten Dreizack als Spielansager fungieren, Thomas Huber gibt einen allzu übertrieben eitlen und dandyhaften Spät-Playboy Menelaos ab, während René Dumont den Feldherrn Talthybios als arroganten Macho verkörpert. Über diese Interpretation lässt sich zwar herrlich diskutieren, doch diese Aufführung im Münchner Residenztheater ist wegen der großartigen schauspielerischen Leistungen geradezu beklemmend geraten und zeigt exemplarisch auf, dass es in Kriegen keine Sieger gibt, sondern dass gewaltsame Auseinandersetzungen letztlich zum Trauma aller Beteiligten führen.

Weitere Termine: 18. und 23. März, 2., 15. und 20. April; Kartentelefon (089) 21 85 20 14.