München
Am Abgrund

"Draußen vor der Tür": Beklemmende Aufführung im Metropoltheater

11.07.2017 | Stand 02.12.2020, 17:48 Uhr

"Ein Stück, das kein Theater spielen und kein Publikum sehen will": Nora Schulte und Philip Lemke im Metropoltheater. - Foto: Turmes

München (DK) Die Wellen haben ihn ans Ufer der Elbe gespült. Beckmann, der junge Kriegsheimkehrer, der ins Wasser gegangen ist, da er mit seinem Leben nach all den grauenhaften Erlebnissen "auf dem Schlachtfeld der Ehre" nicht mehr zurechtgekommen ist.

Zudem verzweifelte er an der Erkenntnis, dass die Nachkriegsgesellschaft von der Kriegsschuld und den damit verbundenen Gräueltaten nichts mehr wissen will. Der die Wahrheit und ein Schuldbekenntnis einfordernde Moralist Beckmann bleibt Außenseiter. Ein Outcast in dem langsam wieder prosperierenden Nachkriegsdeutschland.

In dreifacher Gestalt steht dieser Beckmann als geschundene und restlos kaputte Figur nun im düsteren Licht auf der nur mit einer leeren Öltonne bestückten Bühne des Münchner Metropoltheaters. Ein anklagendes Opfer als mahnendes Sinnbild gegen Krieg, Völkermord und jegliche Art von staatlich verordneter Aggression.

In nur acht Tagen schrieb Wolfgang Borchert dieses Drama "Draußen vor der Tür", zunächst als Hörspiel. Am 21. November 1947, einen Tag vor der Uraufführung in Hamburg, starb er, 26 Jahre alt, und hinterließ ein aufwühlendes Theaterstück, das in den folgenden Jahren auf allen deutschsprachigen Bühnen und darüber hinaus auf vielen Bühnen in Europa und Übersee zur Aufführung kam. Ein Schauspiel, das das Publikum der Kriegs- und Nachkriegsgeneration zum Nachdenken über Ursachen und Folgen von kriegerischen Auseinandersetzungen nachdrücklich animierte.

"Ein Mann kommt nach Deutschland", so lautet der erste Satz dieses Anti-Kriegsdramas, und dieser Mann ist Beckmann, der die Verantwortung für den Tod von 20 ihm unterstellten Soldaten dem Oberst, der ihm den Einsatzbefehl erteilt hat, zurückgeben möchte. Doch dieser weist jegliche Schuld barsch von sich. Krieg ist Krieg, da sind Opfer zwangsläufig einzukalkulieren. Dazu muss Beckmann auch noch reichlich frustriert und erschüttert feststellen, dass seine Frau seit seiner Abwesenheit mit einem anderen Mann zusammenlebt, dass sein Kind verstorben ist und seine Eltern auch nicht mehr am Leben sind. Welchen Sinn hat für ihn daher noch das Dasein in dieser Welt?

Mit expressionistischem Furor haben sich Nora Schulte, Philip Lemke und Philipp Rosenthal, drei verheißungsvolle Studenten des Studienganges Schauspiel der Theaterakademie August Everding, sowohl als Regisseure als auch als Darsteller auf dieses Drama gestürzt, das in dieser intensiven Aufführung ungemein berührt. Wenngleich es bisweilen etwas schwierig zu erkennen ist, welcher dieser drei Akteure abwechselnd in die Rolle des Beckmann und dessen Frau, des Oberst, des Theaterdirektors und all der anderen Figuren geschlüpft ist, so ist diese Neuinszenierung doch höchst beklemmend. Vor allem weil die aktuellen Bezüge zur Zerstörung der Seelen durch Krieg, Flucht, Vertreibung und Asyl nicht plakativ, sondern sehr behutsam eingebaut sind.

Eine Aufführung, die den Bogen von den psychischen Narben eines Soldaten im 2. Weltkrieg zu den gegenwärtigen Ereignissen zwischen den mörderischen Ereignissen in Syrien und den geplatzten Hoffnungen vieler Flüchtlinge in den Asylbewerberheimen spannt und diese überzeitlichen Probleme von existenzieller Not eindrucksvoll aufzeigt.

Weitere Vorstellungen am 13. und 14. Juli sowie vom 8. bis 11. August. Kartentelefon (089) 32 19 55 33.