Moskau
Der Zar und die Ballerina

Brandanschläge und Festnahmen: Liebesdrama über den letzten russischen Herrscher erzürnt orthodoxe Gläubige

25.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:26 Uhr

Moskau (DK) Der Film war gerade abgedreht, da erhitzte er in Russland schon die Gemüter. "Matilda" erzählt die Liebesbeziehung des jungen Nikolaus, noch bevor er Russlands letzter Zar wurde, mit der polnischen Ballerina Matilda Kschessinkaja. Vor allem die orthodoxe Kirche läuft gegen den Film Sturm - und hat prominente Unterstützung. Am 26. Oktober läuft "Matilda" offiziell in Russland in den Kinos an. Kinoketten haben aber bereits erklärt, ihn aus Sicherheitsgründen nicht zeigen zu wollen.

Natalja Poklonskaja (kleines Foto), ihres Zeichens Duma-Abgeordnete in Moskau, hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Film zu verhindern. Die 37-jährige strenggläubige Juristin ging sogar so weit zu behaupten, dass mit dem deutschen Schauspieler Lars Eidinger, der Nikolaus II. spielt, und Michalina Olszanska, die die polnische Ballerina verkörpert, ein Pornodarsteller und eine Terroristin die Hauptrollen in dem Film besetzen. Sie bezieht sich dabei auf Theateraufführungen des deutschen Schauspielers, in dem er auch nackt auf der Bühne auftrat. Olszanska spielte im vergangenen Jahr in dem Film "Ja, Olga Hepnarová" ("Ich, Olga Hepnarová") eine tschechische Massenmörderin, die 1973 mit einem Lkw an einer Straßenbahnhaltestelle sieben Menschen tötete. Der Skandal um den Film bekommt noch zusätzliche Brisanz, da der Zar im Jahr 2000 von der Russisch-Orthodoxen Kirche als Märtyrer heilig gesprochen wurde.

Bereits in seiner jährlichen großen Pressekonferenz im Juli äußerte sich der russische Präsident Wladimir Putin zu den Kontroversen des Films. "Über die Zarenfamilie gab es auch schon früher Filme, und sogar härtere als der Film ,Matilda'", so Putin. Er betonte aber, dass niemand versuche, den Film zu verbieten. Über Poklonskaja sagte er: "Sie hat ihren Standpunkt - und versucht, diesen Standpunkt zu verteidigen, wendet sich an verschiedene Instanzen, aber es gibt keinerlei Entscheidungen über irgendwelche Verbote." Doch die Probleme schaffte Putin damit nicht aus der Welt. In der Nacht auf den 31. August warfen Unbekannte Molotowcocktails in das Studio des Regisseurs Aleksej Utschitel. Wenige Tage später gab es einen Brandanschlag mit einem Kleinlaster auf ein Kino in Jekaterinburg. Direkt gegenüber befindet sich eine Kathedrale, die vor 13 Jahren genau an der Stelle erbaut wurde, an der die Zarenfamilie erschossen wurde.

Im Zuge der Ereignisse, die der Film auslöste, sah sich auch der russische Kulturminister Wladimir Medinskij gezwungen, Stellung zu beziehen. "Die Leute, die die Hysterie um den Film ,Matilda' antreiben, haben keinerlei Beziehung zur Orthodoxie und zum Christentum", sagte er der französischen Zeitung "Figaro" in einem Interview. Es sei eine hysterische Kampagne gegen einen gewöhnlichen Film, der in keiner Weise das Andenken des Zaren beleidige.

Mittlerweile kam es auch schon zu Festnahmen. Unbekannte hatten das Auto des Anwaltes des Regisseurs Utschitel angezündet. Drei Verdächtige wurden am vergangenen Mittwoch in Gewahrsam genommen, teilte die russische Nachrichtenagentur Interfax mit. Darunter befindet sich auch der Anführer der eher unbekannten extremistischen Splittergruppe "Christlicher Staat - Heilige Rus", Aleksandr Kalinin.

Auch der Regisseur Utschitel ist der Rummel, den sein Film in den vergangenen Monaten ausgelöst hat, zusehends unangenehm. Durch die Anschläge fürchtet er auch um seine Familie. In einem Interview sagte er: "Es geht darum, dass all das Geschrei, all die Beschuldigungen von Menschen kommen, die den Film nicht gesehen haben." Und an seine Kritiker gerichtet sagte er: "Leute, zuerst sollte man sich den Film ansehen, und dann kann man sich hinsetzen und lauthals diskutieren."

Eine Vorführung vergangene Woche in Sankt Petersburg lief ohne Exzesse ab, wie die Nachrichtenagentur Interfax bekanntgab. Der Regisseur äußerte sich auch zufrieden: "Nach den Kommentaren der Zuschauer, die ich gehört habe, und der zahlreichen Bitten um Selfies, scheint mir, dass er sehr gut ankam." Auch in Deutschland wird der Streifen zu sehen sein. Der geplante Starttermin ist der 2. November.