Ingolstadt
"Man muss auffallen, um gesehen zu werden"

Skandal um Echo: Andreas Hofmeir über "sensationsgeile Aufmerksamkeitskämpfe", Qualität und Verantwortung

17.04.2018 | Stand 02.12.2020, 16:33 Uhr
Preisträger mit Tuba: Andreas Hofmeir erhielt 2013 den Echo-Klassik. Er will ihn nicht zurückgeben. −Foto: Foto: Carstensen/dpa

Ingolstadt (DK) Der Tubist Andreas Hofmeir (39) aus Geisenfeld ist einer der bekanntesten Musiker unserer Region. Der Professor am Salzburger Mozarteum, Kabarettist und ehemaliges La-BrassBanda-Mitglied wurde 2013 mit dem Echo-Klassik als bester Instrumentalist ausgezeichnet.

Die Diskussion um die Echo-Ehrung von Kollegah und Farid Bang sieht er mit einer gewissen Distanz, wie er im Interview mit unserer Zeitung zugab.

Herr Hofmeir, großer Ärger um die Echo-Verleihung für Kollegah und Farid Bang. Einige Kollegen von Ihnen haben aus Protest, ihre Auszeichnung zurückgegeben. Eine richtige Entscheidung?
Andreas Hofmeir: Ich weiß nicht, ob man da von richtig oder falsch sprechen kann. Und die Frage ist ja auch, weswegen sie die Preise zurückgegeben haben. Wenn sie es deswegen getan haben, weil den beiden Rappern aufgrund ihres Verkaufserfolges ein Echo zugesprochen wurde, dann ist es Unsinn, denn das sind - anders als beim Echo-Klassik, wo allein eine Jury entscheidet, leider aber auch zu oft aufgrund von Verkaufszahlen - beim Echo-Pop nun mal die Regeln. Wem das gegen den Strich geht, der braucht den Preis von vornherein nicht anzunehmen. Wenn sie aber der Meinung sind, dass der Ethikrat des BVMI hier versagt hat, dann sind wir hier in der komplizierten Diskussion angelangt, was in der Kunst erlaubt ist oder nicht. Und dann muss man sich schon die Frage stellen, warum man einen Böhmermann dafür feiert, Erdogan als Ziegenficker mit Schrumpelklöten zu bezeichnen, aber die Herren Kollegah und Bang für ihre Provokationen zensieren möchte.

Hat die Jury versagt? Warum wurden Kollegah und Farid Bang im Vorfeld nicht bereits ausgeschlossen?
Hofmeir: Ich vermute, dass der Ethikrat, auch aus der Böhmermann-Diskussion heraus gedacht hat, man möchte die Meinungsfreiheit in der Kunst als oberstes Prinzip stehenlassen.

Ist der Protest nicht insgesamt übertrieben? Provokation gehört beim Rap doch zum Geschäft. Und eigentlich halten die beiden Künstler sich doch für unpolitisch.
Hofmeir: Genau das halte ich für das Problem: Gerade weil die beiden sich für unpolitisch halten, sehe ich hier keinen kabarettistischen Ansatz, keine Ironisierung. Die Provokationen werden nur deshalb verwendet, weil sie so krass sind. Je schlimmer desto besser. Das ist ja auch das Prinzip dieses Genres "Battle-Rap", von dem ich bis vor kurzem Gott sei Dank noch nichts wusste. Ich finde das schlimm, denn es trägt zur Verrohung des Umgangs der Menschen miteinander bei. Aber um das zu unterbinden, müsste man ja das gesamte Genre verbieten, und das darf man natürlich nicht.

Popkünstler haben ja auch eine Vorbildfunktion für unsere Gesellschaft. Was sagt es aus, dass gerade Rapper wie Kollegah aber auch Haftbefehl und andere immer wieder homophobe, rassistische oder sexistische Lieder singen und damit große Verkaufserfolge haben?
Hofmeir: Unsere Welt ist so schnell und voll geworden, da muss man schon sehr auffallen, um noch gesehen zu werden. Bei der Kunst merkt man: Je größer, schriller, verrückter, desto besser. Wenn ich ein Video drehe, in dem ich schöne Musik spiele, klickt das doch keine alte Sau. Wenn ich ein Video online stelle, in dem ich mit einer Dampfwalze über meine Tuba und eine teure Geige fahre, dann sehen das Millionen, wetten? Und schuld an diesem Dilemma sind wir selbst. Wenn Sie sich dabei erwischen, auch eher auf ein Video der zweiten Sorte zu klicken, dann prägen Sie diese bedenkliche Entwicklung maßgeblich mit.

Geben Sie jetzt auch Ihren Echo zurück?
Hofmeir: Ich würde ja, aber dann habe ich keinen Halter mehr für die Klopapierrollen. Ich würde mir lieber stattdessen etwas wünschen: Preise sollten dazu da sein, zur Belohnung von Qualität und gezielt gegen den Trend der sensationsgeilen Aufmerksamkeitskämpfe vergeben zu werden. Das sehe ich als zukünftige Aufgabe der Echo-Jury, und übrigens auch als Aufgabe aller öffentlich-rechtlichen Medien. Nicht der Geschmack der Masse und der blinde Glaube an Statistiken sollte das Programm diktieren, sondern der Erziehungsauftrag einer aufgeklärten und zivilisierten Gesellschaft.

Das Interview führte Jesko Schulze-Reimpell.