Ingolstadt
Zwischen Berlinale und Ikea

Ronja von Rönne liest bei den Literaturtagen in der Neuen Welt

15.04.2018 | Stand 23.09.2023, 2:55 Uhr

Ingolstadt (DK) Strubbelige Haare, graue Jeans, das Oberteil passend zur rot-braunen Steckfrisur und dazu weiße Turnschuhe.

Ronja von Rönnes Outfit gleicht ihrem Auftritt, denn betont unfeuilletonistisch sitzt die 26-Jährige an einem abgenutzten Holztisch, der im Gegensatz zu ihr auf jahrzehntelange Bühnenerfahrung zurückblickt.

Von Rönne, die seit Oktober vergangenen Jahres im 14-tägigen Turnus eine Kolumne in der "Zeit" veröffentlicht, hat sich mit ihren flapsig-ironischen Texten einen Namen gemacht. Ihre literarische Karriere begann mit dem Blog "Sudelheft", der bereits im Anfangsjahr 2012 von der "Süddeutschen Zeitung" aufgegriffen und vorgestellt wurde. Über sich selbst sagt sie: "Ich schreibe über allerlei Unnützes, nicht immer gut, aber dafür selten. "

Am Samstagabend finden nur etwa zwei Dutzend Zuhörer bei frühlingshaften Temperaturen den Weg in die Neue Welt. Davon gänzlich unbeirrt beginnt die junge Wahlberlinerin, die ihre Kindheit und Jugend im tiefsten Oberbayern - südlich vom Chiemsee - verbrachte, eine Auswahl ihrer Texte zum Besten zu geben. Dem Dialekt nach zu urteilen, hätte man von Rönne sicherlich viele Heimatorte in Deutschland zuordnen können, der Landkreis Traunstein wäre vermutlich nicht in die engere Auswahl gelangt. "Liegt Ingolstadt eigentlich noch in Bayern. ", fragt von Rönne nach ihrem Einleitungstext über Schüchternheit provokativ in die Runde. Sie hätte schließlich schon einmal das Bundesland auf ihrer Lesetour verwechselt, deshalb erkundige sie sich lieber vorher. Vereinzelte, verlegene Lacher. Bei der Interaktion mit dem Publikum - dem improvisierten Part der Lesung - hakt es noch ein wenig. Am heutigen Abend will es der 26-Jährigen nicht so ganz gelingen, mit den Zuhörern, zu denen auch ihre Eltern gehören, warm zu werden.

Gut hingegen funktioniert von Rönnes Kerngeschäft: Sie liest heitere, kluge und ironische Texte aus den vergangenen drei Jahren. Darunter ein Text über Eifersucht (erschienen in der "Welt"), einer über ihre Leidenschaft Ski zu fahren (aus ihrer Kolumne in der "Zeit"), die ihr Lebensgefährte partout nicht teilen möchte, und ein Stück zu Ikea. Die Geschichte über Gratisbleistifte, Köttbullar und die Schlafzimmerserie Malm ("Wir brauchen alle Malm. ") entpuppt sich als Selbstläufer.

Zwischen den kurzen Texten verrät von Rönne, dass ihre Geschichten in aller Regel fiktiv seien - einige autobiografische Elemente wie etwa der Bezug zu ihren Eltern oder ihre Leidenschaft zum Skifahren allerdings echt. Nach nur etwa einer Stunde und zehn Texten verabschiedet sich die 26-Jährige von der Bühne, lässt sich allerdings von einer Zuhörerin noch zu einer Zugabe hinreißen. Mit Text elf, einem enttäuschten Erlebnisbericht von einer der unzähligen Berlinale-After-Partys, zeigt von Rönne erneut ihr Talent zum kreativen Schreiben: "Ich wollte auf eine Berlinale-Party gehen, auf der man ein bisschen guckt und hofft, sich irgendwann auch so ein schönes Cavalli-Kleid und so eine unschöne Kokain-Abhängigkeit leisten zu können. "

Danach ist Feierabend, und die Gäste können von Rönnes freundlicher Aufforderung nachkommen, sich eines der ausgestellten Werke zu kaufen. Für einen kurzen Plausch während der Signatur steht die Berlinerin selbstverständlich bereit.

Julian Bird