Kochel
Von Paris in die Provinz

Der Impressionismus als Impuls für die Moderne: Die Ausstellung "Schöne Aussichten" im Franz-Marc-Museum Kochel

26.04.2015 | Stand 02.12.2020, 21:22 Uhr

Foto: - -Kein Honorar

Kochel (DK) „Schöne Aussichten“ – das versprachen sich jene Maler, die ab 1900 von der Stadt aufs Land zogen, um Motive für ihre Leinwand zu finden. „Schöne Aussichten“ versammelt jetzt eine gleichnamige Ausstellung im Franz-Marc-Museum in Kochel.

Vorgestellt wird die kurze Periode, in der sich Künstler am Malstil des französischen Impressionismus orientierten, aber noch nicht zur Abstraktion der Formen gelangt waren.

Zeugen dieser Entwicklung sind kleine Ölskizzen, von denen viele in der Umgebung von Kochel und in Oberbayern entstanden. Diese Werke ruhen heute in den Depots großer Gemäldesammlungen und werden selten ausgestellt. Jetzt hat Cathrin Klingsöhr-Leroy 120 Arbeiten an den Entstehungsort zurückgeholt. Und eine im Museum erhältliche Wanderkarte verortet ganz konkret einige Motive, die in freier Natur mit Ölfarben gemalt wurden und ganz augenfällig den Charakter des Spontanen, des Flüchtigen tragen. Es sind dies keine Miniatur-Gemälde, sondern Studien im Format eines Notizblattes, nichts weiter als eine Fingerübung, eine Schule des Sehens, eine experimentelle Übung.

Und dennoch spiegelt sich in diesen kleinen Werken eine entscheidende Entwicklung in der Kunst. Wassily Kandinsky und Gabriele Münter sind 1906/1907 in Paris, Franz Marc war schon 1903 dort gewesen. Sie studieren dort die Malweise der Impressionisten, und vor allem Marc ist überwältigt von der Stadt: „Das ist ein wirkliches Training für die Augen. Ich sehe Tag für Tag dieses strahlende Licht und diese Menschen, diese Kleider …“

Die Ausstellung führt vor Augen, dass gerade das Thema Licht für die ausgewählten Künstler kein leichtes Unterfangen war. Kandinsky malte um 1902 die oberbayrische Landschaft wie dunkle Wände aus Felsen und Wäldern, unter deren Wucht die Oberfläche des Kochelsees kaum aufzuleuchten vermag. Das ändert sich 1906 in Rapallo, als er eine spiegelnde Wasseroberfläche festzuhalten vermag, bei der Monet Pate stand. Jawlensky malt 1907 die herbstlich gefärbten Bäume getupft im Stil des Franzosen Paul Signac, und auch bei Franz Marc wird 1903 das Wasser rund um die „Kinder im Boot“ silbrig und transparent.

Vor allem aber entdecken die Maler, die sich im „Blauen Land“ treffen und 1912 den Almanach „Der Blaue Reiter“ herausgeben werden, die Farbe als Träger von Emotionen und als wichtigstes Gestaltungsmittel eines Bildes. Die Formen der Gegenstände werden sich schon bald auflösen in der Kunst, auf dem Weg in die Abstraktion. Aber der Zusammenklang von Komplementärfarben, die feinen Abstufungen von Weiß in einer Winterlandschaft und das leuchtende Rot eines Daches, eingebettet in grüne Hänge – das ist es, was die Maler fesselt.

Von Paris in die Provinz zurückgekehrt, suchen sie ganz individuelle Wege in die Zukunft, aufbauend auf den Eindrücken der französischen Malerei. Und so werden die Schilfhocken bei Franz Marc 1908 in zarten Pastelltönen gestrichelt, um dann 1911 kraftvoll in Rot und Grün aus dem blauweißen Schnee heraus zu leuchten. Eine Schule des Sehens erlebten diese Künstler zwischen 1900 und 1910 – und das können die Besucher dieser Ausstellung heute nachvollziehen.