Kipfenberg
Der Wunsch nach einer großen Theaterfamilie

Lernen von den Profis: Die zweiten Bayerischen Volkstheatertage begeisterten viele Amateure in Kipfenberg

17.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:20 Uhr

Foto: DK

Kipfenberg (DK) Die Gefühle kochen hoch. Die Beteiligten scheinen überwältigt von der Übung, die Schauspielerin und Persönlichkeitscoach Gabrielle Odinis ("Girlfriends") mit ihnen durchführt. Im Rahmen der zweiten Bayerischen Volkstheatertage in Kipfenberg hilft die Profischauspielerin den Amateuren, in ihrem Kurs "Gefühle auf Knopfdruck" zu zeigen. Diese können sie dann bei eigenen Aufführungen auf der Heimatbühne jederzeit abrufen.

Das Motto des Wochenendes lautet Authentizität, das Ziel ist die Vernetzung: von Profis und Amateuren, von Amateurtheatergruppen untereinander und all derjenigen, die generell mit der Materie zu tun haben wie Verlage, Kartenverkaufsstellen, Produzenten. Das alles möchte die Theaterbox erreichen, die vor eineinhalb Jahren gegründet wurde. "Viele Laiengruppen haben vor allem auf den ländlichen Gebieten mit den gleichen Problemen zu kämpfen", so Harald Meier von der Theaterbox. "Die Onlineplattform will in Zukunft allen Interessierten eine prall gefüllte Box anbieten, in der sie alles finden können, was sie für gutes Theater brauchen." Dabei sind die Volkstheatertage nur eines der zahlreichen Projekte.

Während der dreitägigen Veranstaltung werden von erfolgreichen Theaterprofis konzentrierte Kurse angeboten, um das Amateurtheater qualitativ zu verbessern. Woran diese meist scheitern? Sie spielen eine Rolle, statt sie zu leben. Sie bringen Lacher, können jedoch keine echten Gefühle vermitteln. Es fehlt an Authentizität. Doch nicht nur für Schauspieler wird etwas geboten: Regisseure, Maskenbildner, Sänger und Choreografen erhalten bei den Workshops Input.

Die über 60 Teilnehmer haben einen weiten oder kurzen Weg nach Kipfenberg. Sie wollen etwas lernen oder sich vernetzen. Und jeder hat so seine Schwächen, die er beheben möchte. Ein junger Mann aus Schamhaupten möchte mit der Regisseurin der Gruppe möglichst viel für die Kollegen der Schambachbühne mitnehmen. "Ich war erst in einem Kurs, habe aber jetzt schon jede Menge gelernt, was ich den anderen zeigen will." Aus Stuttgart wiederum reiste eine Frau an, um neue Kontakte zu knüpfen, denn sie arbeitet als professionelle Choreografin für Kampfszenen auch oft mit Amateuren zusammen.

Und die Erwartungen der Dozenten? "Die Teilnehmer sollen einfach nur offen sein und nicht arrogant das Geschehen betrachten. Jeder kann sich weiterentwickeln, sogar Profis", empfiehlt Gabrielle Odinis.

Bei ihren Kursen geht es psychologisch zu. Durch Meditationsübungen ermutigt sie die Teilnehmer, sich zunächst selbst zu finden, bevor sie in eine Rolle schlüpfen. Und dann dreht sich wieder alles um Gefühle und Authentizität - eben das, was einen Profi von einem Laienschauspieler qualitativ unterscheidet. Währenddessen unterstützt Armin Stockerer (Schauspieler und Gesangslehrer) seine Zuhörer mit Übungen der Stimmbildung beim "Singen aus dem Bauch". In Thomas Stammbergers Kurs "Der Regisseur und seine Aufgaben" herrscht mehr Seminarcharakter. "Die Aufgabe des Regisseurs ist es, die Schauspieler in ihre Kraft zu bringen. Es ist ein Miteinander", betont Stammberger. Thematisiert wird dabei auch das Tempo für das Einstudieren eines Stückes. Ist eine Stellprobe wichtig oder nicht? Wie interpretiert man die Leseprobe? Wie häufig sollten die Probentage sein? All diese Fragen werden beantwortet.

Während Kipfenbergs kleiner Marktplatz zu Beginn des Samstags noch verschlafen wirkt, zieht mit dem Kursbeginn geschäftiges Treiben ein. Immerhin wurden die Örtlichkeiten rund um eben diesen für die Veranstaltungen der Theatertage gebucht. Nachmittags wurde der Marktplatz sogar bespielt: Regisseur Florian Schmidt lässt Degenkämpfe austragen und gibt Anweisungen zu den durchgetakteten Handlungsabläufen.

Die mangelnde Auswahl an Schauspielern in Amateurtheatergruppen führt dazu, dass manch einer Figuren spielen muss, für die er überhaupt nicht gemacht ist. Maria Seitle kann Abhilfe schaffen: Ihre Kursteilnehmerinnen lernen, wie man jemanden so schminken kann, dass er jünger aussieht, als er ist. Trotzdem kommen Fragen auf, wie man einen Herrn mittleren Alters in einen faltigen Greis verwandeln kann. Oft wird von den Teilnehmerinnen nachgehakt, ob das von den Regisseuren oft verlangte übertriebene Make-up tatsächlich so gut wirkt.

Zum Thema Besetzung hat auch Schauspielerin und Regisseurin Monika Baumgartner ("Die Rumplhanni", "Komödienstadel") einiges zu sagen. In "Die Kunst der Besetzung" diskutiert sie diesbezüglich mit den Anwesenden über Erfahrungen und beispielhafte Inszenierungen. Dabei lernen die einzelnen Theatergruppen auch gegenseitig voneinander. Schauspielerin Josepha Wagner gibt Hilfestellungen zur Improvisation, falls jemand auf der Bühne seinen Text vergisst, und nimmt den Teilnehmern die Angst vor Fehlern auf spielerische Weise.

Zwischendurch kann man sich "Auf einen Kaffee mit Corinna Binzer" treffen und von der Schauspielerin ("Komödienstadel") ganz persönlich beraten lassen. Sie nimmt sich dafür so viel Zeit, dass dieser Kaffee schon als Caffè lungo durchgehen könnte. Und das ist es, was für die Organisatoren zählt: das Gespräch untereinander und mit den Profis. Man soll sich kennenlernen, vertraut und eine riesige Theaterfamilie werden. Das ist teilweise schon geschehen. Manche Amateure kennen sich schon von vergangenem Jahr, andere sind mit den Dozenten sofort per Du. Diese lernen übrigens auch noch dazu: Corinna Binzer ist erstaunt, wie leidenschaftlich die Amateure beim Theaterspielen sind. "Für professionelle Schauspieler ist das alles irgendwann einfach nur noch ein Job."

Obwohl das Programm des Wochenendes sehr voll ist, lockern gemeinsame Podiumsdiskussionen, Erzählungen aus dem Leben der Profis und abendliche Vorstellungen der Dozenten das Wochenende auf. Dass die Theaterbox mit ihrem Konzept erfolgreich ist und durchaus Austauschbedarf bei den Laien besteht, zeigt sich daran, dass die Planung für die dritten Bayerischen Volkstheatertage bereits in vollem Gange ist. Festgehalten wurde das Ganze übrigens auf einem Liveblog. Die Organisatoren sind stark in den sozialen Medien präsent und darauf aus, tatsächlich vernetzt zu sein und die Volkstheatertage bekannter zu machen.

Weitere Impressionen können im Liveblog nachverfolgt werden: theaterbox.de/Volkstheatertage-Liveblog.aspx.