Jahresrückblick
Zwölf Höhepunkte des Jahres 2017

27.12.2017 | Stand 02.12.2020, 17:01 Uhr

Mit ihrer "erlesenen Komik" zählen sie zu den Geheimtipps bei den Ingolstädter Kabaretttagen: Die Schweizer Christof Wolfisberg und Jonas Anderhub (rechts) treten unter dem Namen "Ohne Rolf" auf - am 10. März in der Eventhalle.

Unsere Kritiker präsentieren ihre ganz persönlichen regionalen Kulturereignisse.

1. Anja Witzke über

das Schweizer Duo Ohne Rolf bei den Kabaretttagen

Natürlich könnte man an dieser Stelle spannende Inszenierungen des Stadtthe-aters Ingolstadt nennen: das düster-komische „Dreamtime“ etwa oder Mira Fajfers spektakulärer Monolog „Am Boden“ im Flugzeughangar Manching. Aber wenn man sich für ein Highlight entscheiden muss, dann muss es das Gastspiel von Ohne Rolf bei den Kabaretttagen sein, das im März ohne große Worte, aber dafür mit umso mehr Plakaten für eine sensationell lustige Show in der Ingolstädter Eventhalle sorg-te. „Erlesene Komik“ brachten Christof Wolfisberg und Jonas Anderhub in die Event-halle – im wahrsten Sinne des Wortes. Sie redeten nicht, sie blätterten sich durch den Abend. Einzigartig!


2. Walter Buckl über

das Festival „LiteraPur“ in Eichstätt

Im sechsten Jahr läuft es nun schon – das gar nicht mehr so kleine Eichstätter Lese-Festival „LiteraPur“, das jedes Jahr im Mai eine kleine Schar illustrer Autoren ins Altmühltal lockt: Unter Regie Michael Kleinhernes, Mitarbeiter am Lehrstuhl für Deutsch-Didaktik, und eines Studenten-Teams findet dort seit 2012 eine Literaturwoche statt, die Newcomer ebenso wie poetische Platzhirsche zu Lesungen und Workshops holt, oft in Kooperation mit dem Gabrieli-Gymnasium: „Das ist total krass hier, aber auch total geil!“, meinte einst Sasa Stanisic über seinen Auftritt. Heuer waren Zoe Beck und Sabine Gruber, Akos Doma, Gudrun Lerchbaum und Richard Lorenz zu Gast bei „LiteraPur 17“.


3. Lorenz Erl über

Christian Lombardis Abschied im Ingolstädter Festsaal

Das herbstliche Benefizkonzert der Audi-Bläserphilharmonie im Festsaal hat Eindruck hinterlassen. Nicht nur wegen der fraglos guten Qualität des Amateurensembles im Zeichen der vier Ringe. Es war das Abschiedskonzert des Dirigenten Christian Lombardi, der nach elf Jahren seine Ära beendete. Inhaltlich unterschied sich dieser Abend kaum von den Konzerten der anderen Jahre. Herausragend aber war die spür- und hörbare Verbundenheit mit den Orchestermusikern, die Lombardi in diesem Jahrzehnt aufgebaut hatte. Diese menschliche Komponente spiegelte sich in der Musik, im Klang und in den Zwischentönen des Konzerts wieder. 


4. Barbara Fröhlich über

Max Raabe mit Palast Orchester im Ingolstädter Festsaal

Sie beherrschen die hohe Kunst, die leichte Muse niveauvoll und musikalisch perfekt zu präsentieren: Max Raabe und das von ihm 1986 gegründete Palast Orchester begeisterten am 16. November erneut ihr Publikum mit ausgesuchten, neu arrangierten Titeln der 20er- und 30er-Jahre und Selbstkomponiertem. Doch bleibt es nicht beim eleganten nostalgischen Schwelgen, wozu die Musiker (und eine Musikerin) mit ihrem Sänger durch ihre frische Interpretation verführen. Die Anmoderation und die Inszenierung der Titel laden dazu ein, über Parallelen zwischen gestern und heute nachzudenken. Und weil das Kritische klug treffend serviert wird, bleibt es länger haften. 


5. Regina Greck über

das Hildegard-Pohl-Trio im Neuburger Birdland

Zu ihrem 70. Jubiläum hatten sich die Neuburger Barockkonzerte ein außergewöhnliches Geschenk gemacht: Eine barock-jazzige Geburtstagsfeier mit dem HildegardPohl-Trio im Neuburger Birdland. Pianistin Hildegard Pohl, Schlagzeuger Yogo Pausch und Bassist Norbert Meyer-Venus präsentierten „Swing it, Mr. Bach!“ Dabei mischte das Trio Klassiker beider Stile mit Improvisationen und es entstand z. B. ein „Lullaby of Bachland“. Mit viel Charme begeisterten die Musiker auch damit, dass sie spontane Publikumswünsche erfüllten und daraus einen Stilmix-Medley von Mozarts Klarinettenkonzert bis zu Helene Fischers „Atemlos“ zauberten. 


6. Katrin Fehr über

Location occupied for time an der Stargarder Straße

Ein Abrisshaus, 17 Künstler und 1200 Besucher an einem Wochenende. Künstler des BBK Oberbayern Nord & Ingolstadt haben eine heterogene Besucherschar auf eine Erfahrungsreise geschickt. Inspiriert von Überbleibseln, wurden die Räume umgestaltet. Künstler müssen von ihre Kunst leben. Finanziell gewonnen haben sie mit dieser einzigartigen Spurensuche nichts. Das war auch nicht ihr Ansinnen. Ebenso wenig für die Kreativen bei der Gründung des Kulturvereins Kap94. Engagement in dieser Vielfalt, mit diesem Zulauf und diesem Potenzial müsste der Stadt mehr Unterstützung wert sein. „Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit“, wusste schon Karl Valentin. 


7. Karl Leitner über

Joscho Stephan in der Ingolstädter Neuen Welt

Was Joscho Stephan bei „Jazz in den Kneipen“ in der Ingolstädter Neuen Welt ablieferte, war sensationell. Man wusste ja, dass Gypsy-Swing-Gitarristen durch die Bank virtuose Instrumentalisten sind, Stephan freilich spielte Sachen, die ich bislang für unspielbar hielt. Dabei ist seine unglaubliche Fingerfertigkeit nie Selbstzweck, nein, er präsentiert sie quasi nebenbei, als sei sie das Selbstverständlichste der Welt. Zur Saitenhexerei kommen sein Sinn für lyrische Momente und sein Talent für knochentrockenen Humor. Er plaudert charmant, appelliert ans Gefühl seiner Zuhörer und versetzt sie in atemloses Staunen, wenn er mal richtig loslegt. Rundum perfekt!


8. Heike Haberl über

die Zürcher Sing-Akademie in der Asamkirche Ingolstadt

Mein Kulturereignis war eindeutig das Konzert der Zürcher Sing-Akademie, die unter ihrem Leiter Florian Helgath, begleitet von der Hofkapelle München, in der Ingolstädter Asamkirche mit einer grandiosen Hommage an die venezianische Mehrchörigkeit auftrat. Die fantastischen, satt leuchtenden Klangwelten, die der exzellente Profichor bei den geistlichen Werken unter anderem von dem nahezu unbekannten Ingolstadt-Studenten und Fuggerorganisten Gregor Aichinger heraufbeschwor, entfalteten sich als atemberaubende musikalische Offenbarung im sakralen Raum. Die hohe Kunst der Vokalpolyfonie zwischen Renaissance und Frühbarock in ihrer Vollendung.


9. Jesko Schulze-Reimpell über

Teodor Currentzis bei den Sommerkonzerten

Für dieses Ereignis ist eigentlich jeder Superlativ zu klein. Das Gastspiel aus Salzburg, das in diesem Jahr Teodor Currentzis leitete und bei dem das Requiem von Mozart auf dem Programm stand, ist gewiss nicht nur das beeindruckendste klassische Konzert des Jahres. Es überstrahlt Jahre des Kulturlebens der Region. Warum? Weil sehr selten ein Musikereignis so perfekt inszeniert ist, vom kleinsten Crescendo bis zum Schürsenkel des Dirigenten. Weil Currentzis mit seinem von ihm gegründeten Ensembles MusicAeterna eine eigene Ästhetik verwirklicht, eine Intensität, eine tänzelnde Gesamtstruktur des Ausdrucks, wie sie sonst nie zu hören ist: Musik aus einer anderen Welt.


10. Jessica Roch über

das Kurzfilmfestival 20 minmax im Stadttheater und Audi-Kino 

Es war in diesem Jahr so lange wie nie und dennoch kurzweiliger denn je: das Ingolstädter Kurzfilmfestival 20minmax. Die neu eingeführte „Weird Movies Night“ und der monochrome Abend vergrößerten die künstlerische Bandbreite der mittlerweile achttägigen Veranstaltung noch einmal deutlich. Und die perfekt aufeinander abgestimmte Auswahl der gezeigten Kurzfilme begeisterte im elften Festivaljahr nicht nur Filmstudenten und Liebhaber, sondern auch Menschen ohne cineastischen Hintergrund. Diese Gradwanderung hat 20minmax perfektioniert. Dabei ist es von Jahr zu Jahr internationaler geworden – und dennoch familiär geblieben.


11. Sandra-Isabel Knobloch über

mehrere Konzerte in der Neuen Welt

Der gemeinsame Auftritt von Ami und Wally Warning war Balsam für Ohren und Seelen der Zuhörer in der Neuen Welt. Ludwig Two aus dem Altmühltal begeisterten ebenda mit durchdachten Arrangements von ohrwurmträchtigen Melodien. Für einen vollendeten Konzertgenuss hat es The Henry Girls von Irlands Küste in die Neue Welt verschlagen: Sie sangen sich glockenrein mehrstimmig in die Herzen der Zuhörer, und der Engländer Luke Jackson präsentierte seine Songs mit so viel Gefühl, dass es nicht nur sehr viel Freude machte, seiner schönen Stimme zu lauschen, sondern dem zu folgen, was er Zeile für Zeile erzählen wollte. Es lebe die Live-Musik!


12. Berndt Herrmann über

die bisherige Spielzeit im Theater Augsburg

So einen Start wünscht sich jeder neue Intendant: André Bücker und sein Team haben am Theater Augsburg eine famose Spielzeit hingelegt. Das ist umso bemerkenswerter, weil die Bedingungen durch die Sanierung des Großen Hauses und einige Interimsspielstätten schwierig sind. Aber gerade die, wie etwa der Martini-Park, haben sich als Volltreffer erwiesen. Dazu kommt, dass sich alle drei Sparten auf einem ähnlichen Niveau bewegen – das war nicht immer so. Bis jetzt sind zumindest keine Ausreißer erkennbar. Die Theaterliebhaber in und um Augsburg dürfen sich also freuen und haben auch schon einen Wunsch fürs neue Jahr: dass es so weitergeht.