Jahrelang
Deutschland im Trödelfieber

TV-Shows wie "Bares für Rares", "Kunst und Krempel" oder "Die Antiquitätenjäger" erleben derzeit einen Boom

28.07.2017 | Stand 02.12.2020, 17:43 Uhr

Foto: DK

Jahrelang waren es die Quizshows, die das deutsche Fernsehen regelrecht überschwemmten. Dann kam der Kochshow-Boom, auf beinahe allen Kanälen wurde und wird immer noch gebrutzelt, gerührt, gewürzt - um die Wette oder nur zur Unterhaltung. Jetzt sind es Trödelshows, die sich immer größerer Beliebtheit erfreuen und dabei sind, für den nächsten Boom zu sorgen. Rund 30 Shows bedienen auf allen TV-Kanälen die Faszination für Ausrangiertes von Keller oder Dachboden.

Wenn Horst Lichter, jahrelang als Kölscher Jeck am Kochtopf um keinen Spruch verlegen und jetzt TV-Flohmarkt-Chef, wochentags am Nachmittag zu "Bares für Rares" im ZDF bittet, sind regelmäßig mehr als zwei Millionen Zuschauer dabei. Tendenz immer noch steigend! Seit 2013 gibt es das Format, erst in ZDFneo, später im Hauptkanal - und hat sich still und heimlich dort zur erfolgreichsten Sendung am Nachmittag entwickelt. Im Juni und im Juli wurde die Show jeweils einmal sogar in die Primetime gehievt und hat damit auf ganzer Linie gesiegt. Aufgepeppt mit Promis und einer schmucken Location auf einem Schloss schossen die Einschaltquoten so auf mehr als sechs Millionen Zuschauer empor.

Dabei gibt es das Format schon seit Jahrzehnten: Im Bayerischen Fernsehen beispielsweise heißt es seit 1985 "Kunst und Krempel". Doch dort geht es mehr um eine Art Antiquitätenberatung. "Bares für Rares" hat den Flohmarkt ins Fernsehen gebracht. Menschen, die zu Hause den Dachboden geräumt haben, kommen mit ihrem mehr oder weniger kostbaren Trödel vorbei, ein Experte bewertet die Gegenstände und ordnet sie preislich ein. Dann übergibt Horst Lichter, der zwischendurch für den einen oder anderen auflockernden Spruch ("Ist das nicht ein Träumchen") zuständig ist, den Verkäufern eine begehrte Händlerkarte, und schon geht es für die in die "Höhle der Löwen". Fünf Flohmarkt- und Antiquitätenprofis bieten und feilschen, am Ende kommt es meist zum Deal, und das Geld gibt es bar auf die Hand: Scheinchen für Scheinchen.

Weil die Show so beständig gut ankommt, hat man beim ZDF-Ableger Neo die nächsten Formate hinterhergeschoben: In "Clever abgestaubt" mit Steven Gätjen kreuzt man zwei erfolgreiche Trends - es ist eine Trödel-Quizshow. Und in "Viel zu bieten" stellen Menschen ihren Trödel einer vierköpfigen Jury vor, die bieten dann wie bei einer Auktion um die Gegenstände. Wobei die Amateur-Trödler nicht nur Gegenstände anbieten können, sondern auch Dienstleistungen. Da offeriert dann ein Mann schon mal Origami, die Kunst des Papierfaltens. Oder ein leidlich begabtes Musikduo verkauft sich für einen Auftritt. Der Ausgangspreis wird von der fachkundigen Jury meist deutlich nach unten korrigiert, das sorgt für Spannung und kurzweilige Unterhaltung.

Insgesamt gilt aber bei den Trödelshows das alte Prinzip, das Ende der 1950er-Jahre Bundeskanzler Konrad Adenauer zur Maxime seiner Politik machte: keine Experimente! Man geht auf Nummer sicher, alle neuen Versuche orientieren sich an dem Format, das den Boom ausgelöst hat. Im Mittelpunkt stehen stets die Antiquitäten und der Trödel. Die Jurys sehen aus, als ob sie sehr überlegt gecastet wurden: Da sitzt dann etwa ein redseliger, beleibter Bayer in Hosenträgern auf seinem Hocker. Und ein Mann, der der Bruder von Grand-Prix-Siegerin Conchita sein könnte, sorgt für den Hingucker in der Runde, die alles andere als bieder sein will und gerne im witzelnden Händlerjargon plaudert.

Ob sich durch die Omnipräsenz auf dem Bildschirm das Erfolgsformat irgendwann einmal abnutzt? Momentan lieben es die Zuschauer. Das liegt wahrscheinlich auch daran, dass sich Flohmärkte landauf, landab größter Beliebtheit erfreuen. Und es in Deutschland viel zu erben gibt - und nicht alles, was man da bekommt, auch dem Erben gefällt. So wird der Trödel weitergegeben oder verschachert. Entweder sonntags auf irgendeinem schmucklosen Parkplatz in einem Industriegebiet auf einem Tapeziertisch oder eben jetzt auch im Fernsehen, moderiert von Plaudertasche und Zwirbelbartträger Horst Lichter. Der ist clever, hat den Absprung aus der Küche geschafft und bittet zur munteren Jagd auf die Händlerkarte.

 

ZDF, "Bares für Rares", Montag bis Freitag, 15.05 Uhr.