Ingolstadt
Der lange Weg zur Kunst

Die Geschichte des Museums für Konkrete Kunst in Ingolstadt kennt viele Richtungsänderungen und nur wenig politischen Mut

30.05.2016 | Stand 02.12.2020, 19:45 Uhr

Foto: DK

Ingolstadt (DK) Am nächsten Dienstag ist Baubeginn, also wirklich diesmal. "Der offizielle Baubeginn findet am 07.06.2016 statt. Oberbürgermeister Dr. Christian Lösel, Kulturreferent Gabriel Engert und Museumsdirektorin Dr. Simone Schimpf geben damit den Startschuss für den Umbau der ehemaligen Gießereihalle", steht auf der Website des Museums für Konkrete Kunst (MKK) schwarz auf weiß zu lesen.

Und darum sagt Petra Volkwein: "Ich hab zugesagt, eine Einladung liegt vor, ich glaube das jetzt" und lächelt ein wenig süffisant. Nicht, weil sie tatsächlich noch am Dienstag zweifelt, sondern weil die 62-Jährige, langjährige SPD-Stadträtin, Gründungsmitglied des Freundeskreises des Museums und Witwe des legendären ersten Museumsleiters Peter Volkwein, 36 Jahre lang miterlebte, wie das so ist und war mit der Planung dieses Hauses. Mit der Realisierung des Museums überhaupt und erst recht mit der des Neubaus, von dem Kulturreferent Engert 2002 verhieß, er werde 2005 fertig sein. Nun hat Engert die Eröffnung des 25,3 Millionen-Projekts auf 2019 terminiert und sagt über den offiziellen Baubeginn, wie froh er sei. "Ich kämpfe seit über 20 Jahren für den Neubau. Das ist jetzt ein großer Schritt nach vorn für uns."


Als Engert 1994 nach Ingolstadt kam, stand das jetzige MKK in der Tränktorstraße noch nicht lang. Am 26. Juni 1992 war es eröffnet worden, zwei Jahre später als gedacht. Viermal hatte die Eröffnung verschoben werden müssen: Einmal verursachten explodierende Baukosten einen Baustopp, dann mussten kurz vor dem Termin die Ziegel ausgetauscht werden, die plötzlich Stockflecken auf die Wände malten. Danach gab es einen Kabelbrand. Und schließlich noch Verzögerungen bei der erneuten Renovierung. Ein wenig war es, als räche sich das Haus nun an seinen Planern für ihr Zaudern.

Denn immerhin schon seit 1980 stand das Projekt "Konkrete Kunst in Ingolstadt" auf der Agenda - seit der damalige Kulturreferent Rudi Koller den Antrag gestellt hatte, die 52 Bilder starke Sammlung des Künstlers und Lyrikers Eugen Gomringer, eines engen Weggefährten der Schweizer Konkreten um Max Bill, für 700 000 Mark zu erwerben; über den Ingolstädter Siebdrucker Herbert Geyer, der für konkrete Koryphäen wie Josef Albers druckte, war der Kontakt zustande gekommen. Verblüfft sahen sich Stadtrat und Volk - es war die Zeit, als man über die Arbeiten eines Alf Lechner noch im Konsens lachen durfte - plötzlich mit einer unverständlichen Kunst konfrontiert, die in der Schanz sesshaft werden und für die man auch noch zahlen sollte: "Kein Geld und kein Verständnis" titelte unsere Zeitung empört. Doch dann griff ("diskret" sagt Petra Volkwein, "denn der Konzern fuhr damals noch eine andere Linie") Audi ein und brachte zusammen mit weiteren Sponsoren aus der Bürgerschaft zwei Drittel des Kaufpreises auf. 1981 gehörte die Sammlung Gomringer nolens volens der Stadt - die nun wiederum über eine Präsentation des neuen Schatzes stritt. Die Kunstsinnigen im Stadtrat setzten sich schließlich 1987 mithilfe des wehrhaften Freundeskreises für Konkrete Kunst durch, die Donaukaserne wurde angemietet und zum Vorzeige-Museum umgebaut.

Sieht man von am Anfang noch spöttischen Kommentaren der Ingolstädter zu ihrem Kunstmuseum ab - "Mei, die Verrückten mit ihrer Quadratkunst, hat man überall gesagt, wo wir hingekommen sind", erinnert sich der langjährige technische Ausstellungsleiter Simon Templer - waren dem Haus nun eine Handvoll so entspannter wie künstlerisch spannender Jahre unter der Leitung seines Motors Peter Volkwein vergönnt. Doch schon 1998 kam ein Neubau ins Gespräch. Nicht nur, weil die Depots mittlerweile überbarsten, sondern auch, weil Richard G. Winkler auf den Plan getreten war. Der Kölner Sammler wollte sein 3000 Exponate umfassendes Konvolut an Industriedesign der Stadt überlassen, so die es in einem neugebauten "Museum für Konkrete Kunst und Design" präsentieren wolle.

Was nun kommt, ist jüngere MKK-Geschichte. Der Kunsthistoriker Tobias Hoffmann, später, nach Volkweins Tod, Museumsleiter, wurde angestellt, die angereiste Sammlung zu betreuen; derweil lief der Architektenwettbewerb. Ihn gewann 2001 das Münchner Büro Morpho-Logic; Teile des Stadtrats und die Bürgerschaft aber favorisierten den dritten Sieger Stephan Braunfels und seinen spektakulären "Wolkenbügel". Man zögerte, zauderte, stritt - bis Winkler 2003 entnervt seine Sammlung zurückzog, und Hoffmann 3000 Exponate wieder einpacken und heimschicken musste. Das Museumsprojekt wurde zunächst auf Eis gelegt, 2009 außerdem die Zusammenarbeit mit Morpho-Logic aus mysteriösen Gründen aufgekündigt. 2010 standen die früheren Wettbewerber wieder zur Debatte. Auch Braunfels war dabei; sein überarbeiteter Entwurf kam aber einen Tag zu spät und wurde nicht mehr akzeptiert, was zu heftigen öffentlichen Turbulenzen führte. Dann der unerwartete Beschluss: ein neuer Wettbewerb! Und kein Neubau am Kavalier Dallwigk mehr! Sondern die historische Gießereihalle gleich daneben als schon bestehendes Haus.

2012 kürte die Jury also wieder Sieger: nämlich das Londoner Büro Stanton Williams und die Hamburger DFZ. Der Stadtrat indes entschied sich für den Drittplatzierten, das Wiener Büro Querkraft. Man habe gehofft, damit das teure Projekt nicht als Kunstmuseum, sondern als "Erhalt der Gießereihalle" verkaufen und womöglich auch nutzten zu können, munkelt man hinter vorgehaltener Hand. Denn der Entwurf der Wiener lässt die Gießereihalle äußerlich unberührt, schafft im Erdgeschoss als Foyer einen multifunktionalen Raum und - verlegt die Kunst in den neugebauten Untergrund. Das gläserne "Lichtband", das Querkraft am Haus geplant hatte, als Licht-Blick nach unten auf die Kunst und erlesenes Gestaltungselement, hat der Stadtrat übrigens gerade erst gekippt . . . Ein kleines Staunen bleibt über den Baubeginn am Dienstag.

 

In der nächsten Folge unserer Serie lesen Sie ein Interview mit Museumsleiterin Simone Schimpf zum Museumskonzept.