Ingolstadt
"Ich bin vorbereitet"

Warum der Wiener Autor Marc Elsberg daheim Lebensmittel bunkert und immer ein vollgetanktes Auto hat

23.04.2012 | Stand 03.12.2020, 1:34 Uhr

Warnt vor einem Anschlag auf die Stromnetze: Der Autor Marc Elsberg. Deshalb hat er zu Hause immer genügend Lebensmittel.

Ingolstadt (DK) Das Licht ist aus, der Kühlschrank warm und die Heizung kalt. Terroristen haben mitten im Winter die europäischen Stromnetze gehackt und zusammenbrechen lassen. Dieses Horrorszenario ist Ausgangspunkt für Marc Elsbergs Roman „Blackout – Morgen ist es zu spät“. Ein rein fiktiver Albtraum? Nicht ganz, denn seit 2010 sind sogenannte „Smart Meter“ – Stromzähler, die mit dem Internet verbunden sind – Pflicht für alle Neubauten. Diese könnten wohl als „Tür“ für einen Cyber-Angriff genutzt werden. Unser Redakteur Sebastian Peterhans hat sich mit dem 45-jährigen Wiener Autor über die Wahrscheinlichkeit und die Folgen eines solchen Blackouts unterhalten.

Herr Elsberg, haben Sie eigentlich so etwas wie eine Notfallausrüstung daheim?

Marc Elsberg: Ich bin vorbereitet. Jedenfalls so gut, wie man das als Städter in einer Wohnung tun kann. Ich habe zwar keinen Notstromgenerator, das geht hier einfach nicht. Aber ich habe ausreichend Wasser und Lebensmittel daheim, dazu ein vollgetanktes Auto, damit man – sollte ein Stromausfall länger dauern – auch die Stadt verlassen kann.

 

Sie scheinen das Szenario, das Sie in Ihrem Buch beschreiben, sehr ernst zu nehmen. Trotzdem: Wie real ist denn nun die Gefahr, dass ein Stromnetz durch Terroristen gehackt wird?

Elsberg: Die Bedrohung ist nicht ganz irreal. In Italien und Schweden werden die sogenannten Smart Meter – das sind intelligente Stromzähler, die mit dem Internet verbunden sind – schon flächendeckend eingesetzt. Das bietet eine gute Angriffsfläche. In Deutschland werden diese Geräte ganz stark mit der Energiewende Einzug halten. Dazu wird auch ein sogenanntes Smart Grid kommen – nichts anderes als eine Art Internet für den Strom. Und jeder weiß, wie angreifbar solche Systeme sind. Außerdem sollen laut einer EU-Vorgabe bis 2020 95 Prozent der Stromzähler in Europa digitale Stromzähler sein. Die Gefahr wird also deutlich größer werden, wenn man nicht entsprechende Sicherheitssysteme einbaut – was aber nicht so einfach wird.

 

Bei diesen Smart Metern soll auch die Gefahr des Ausspionierens eines Haushalts sehr groß sein.

Elsberg: Das ist ein kleiner Big Brother in ihrem Haus. Da sind Google und Facebook Waisenknaben dagegen. Mit diesem Gerät kann man bei Ihnen zu Hause alles ausspionieren. Es nimmt alle Daten auf: Wann sie fernsehen, welche Maschinen sie verwenden, wann sie Licht anhaben, wann sie zu Hause sind und so weiter. Das kann ich alles über einen Smart Meter auslesen.

 

In Kanada beispielsweise gab es dagegen starke Proteste. Bei uns noch nicht. Warum?

Elsberg: Weil es bei uns noch nicht so im Bewusstsein ist, dass bald in jedem Haushalt so ein Gerät sein soll. Und weil man sich noch nicht darüber im Klaren ist, zu was diese Technik in der Lage ist. In Österreich gibt es bereits erste Petitionen und Bewegungen dagegen.

 

Gibt es überhaupt eine Möglichkeit, sich zu schützen?

Elsberg: Man kann diese Geräte anders konstruieren. Als man sie gebaut hat, hat man sich über die Sicherheitsthematik zu wenig Gedanken gemacht. Die Geräte, die heute auf dem Markt sind, sind eigentlich schon veraltet. Die wurden vor vier oder fünf Jahren entworfen. Die Idee der Technik ist ja nicht schlecht, aber die Ausführung ist im Moment indiskutabel.

 

Warum wäre denn ein Stromnetz so ein gutes Terrorziel?

Elsberg: Weil wir völlig abhängig von der Energie und vom Strom sind. Unser kompletter Alltag ist heute in allen Systemen extrem vernetzt – ob das jetzt Transport, Kommunikation oder Lebensmittel betrifft. Alle Systeme, mit denen und durch die wir leben, sind vom Strom abhängig. Mit dem Strom ist es so ähnlich wie bei der Liebe. Strom ist etwas, das aus der Steckdose kommt, da denkt man nicht weiter drüber nach. Und wie bei der Liebe, merkt man erst, was man gehabt hat, wenn es plötzlich weg ist.

 

Wie schwer ist es denn, so ein Stromnetz zu hacken?

Elsberg: Es ginge natürlich auch physisch – indem man beispielsweise Umspannwerke oder Kraftwerke sprengt. Aber hacken ist heute mit weniger Aufwand verbunden.

 

Gab’s denn schon mal einen ähnlichen Fall, wie Sie ihn im Buch beschreiben?

Elsberg: Angriffe auf kritische Infrastruktur – auch auf Stromsysteme – sind nicht neu. Das haben Südtiroler Unabhängigkeitskämpfer schon Anfang der 60er Jahre gemacht. Die haben einfach Strommasten gesprengt. Oder wenn sie sich anschauen, was im Mai 2011 in Berlin mit der S-Bahn passiert ist (Anm. d. Red.: Ein vermutlich linksautonomer Brandanschlag auf eine Kabelbrücke hatte zu einem Verkehrschaos und dem Ausfall von Telefonleitungen geführt) – das war auch ein Angriff auf kritische Infrastruktur. Das ging noch glimpflich ab, aber das war nichts anderes, nur in kleinem Rahmen.

 

Wissen die Stromkonzerne von dieser Bedrohung?

Elsberg: In den letzten ein bis zwei Jahren ist man sich dessen ein bisschen bewusster geworden an verantwortlicher Stelle, auch wenn es noch immer gerne heruntergespielt wird. Die wissen also inzwischen Bescheid, die Frage ist nur, ob sie dem Thema auch die entsprechende Bedeutung zumessen.

 

Wie sind Sie überhaupt darauf gekommen, sich mit diesem Thema zu beschäftigen?

Elsberg: Mich hat fasziniert, wie abhängig wir mittlerweile von diesen vernetzten Systemen geworden sind. Und auch das extreme Ausmaß der Vernetzung. In meinem Buch sind ein Beispiel die Krankenhäuser, die nach zwei, drei Tagen nicht mehr funktionieren. Nicht nur, weil sie keinen Notstrom mehr haben, sondern weil das „System Verkehr“ nicht mehr funktioniert, also das Personal nicht ins Krankenhaus kommt. Oder weil die Nahrungsmittelversorgung nicht mehr funktioniert, weil die ja teilweise wieder vom Verkehrssystem abhängig ist. Wenn also nur Teile ausfallen, ist das in unserem vernetzten System wie ein Dominoeffekt. Mich hat interessiert, was das für eine Bedeutung für die Menschen hat. Darüber wollte ich eine Geschichte schreiben.