Ingolstadt
Scharfe Kritik mit Komik serviert

Claus von Wagner präsentiert seine "Theorie der feinen Menschen" in der Eventhalle Ingolstadt

04.02.2016 | Stand 02.12.2020, 20:14 Uhr

"Als hätte Shakespeare ein Praktikum bei der Deutschen Bank absolviert und aus Verzweiflung darüber eine Komödie geschrieben": So beschreibt Claus von Wagner seine "Theorie der feinen Menschen". Am Mittwoch gastierte er damit in Ingolstadt. - Foto: Woelke

Ingolstadt (DK) Mittwochabend. Eventhalle Am Westpark. Licht aus im Zuschauerraum, Strahler auf die Bühne gerichtet. Warten auf Claus von Wagner mit seinem Programm "Theorie der feinen Menschen". Warten. Warten. Die Bühne - leer. Gefühlt minutenlang. Dann: Licht beleuchtet wieder den Zuschauerraum.

Von hinten kommt der 38-Jährige, sagt, dass er nach den Anschlägen von Paris, Djakarta, Istanbul, Afghanistan immer erst einmal nachsehe, ob überhaupt Zuschauer da seien, ob Kabarett, ob Lachen noch möglich sei. Eine rhetorische Frage. Klar. Die Eventhalle ist proppenvoll.

Von Wagner, aus Funk ("Tagebuch des alltäglichen Wahnsinns", BR) und Fernsehen ("Die Anstalt" und "heute-show", ZDF) bekannt für sein Redetempo, mit dem er alles ins Visier nimmt, was in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft schiefläuft, legt los: "Wir lassen uns ja von den Terroristen die Freiheit nicht nehmen. Anstatt Polizisten nach Frankreich zu schicken, fliegen wir mit bei den Angriffen auf den IS, was ein Winkeladvokat möglich gemacht hat, der die Beihilfe-Klauseln im EU-Vertrag mit irgendeiner UN-Charta gekreuzt hat, womit wir die IS-Terroristen gleich noch offiziell als Staat anerkannt haben." Hoch konzentriert hört das Publikum zu - und darf im nächsten Moment wieder lachen. Denn nun stellt sich von Wagner brav vor. Schließlich sei ja nicht sicher, ob ihn jeder kenne. Kokettiert er und spielt vor, wie er auf der Straße angesprochen wird: "Sie, Sie, Sie san doch, hä" Um dann, in seinem Narzissmus gekränkt, zu hören: "Na, der Name sagt mir gar nichts!"


In diesem Spannungsfeld zwischen klugem, aktuellem Kabarett und persönlich gefärbten komödiantischen Einlagen agiert er zweieinhalb unterhaltsame Stunden lang, erzählt vom Prestigedenken der Eliten, von menschlicher Gier und Eitelkeiten, davon, "was wir alles wegen des Geldes machen", das doch nur etwas wert zu sein scheine, aber nicht sei: "Oder haben Sie schon einmal versucht, die bloße Vorstellung eines Pferdes zu reiten" Da ist er schon in seine Bühnenrolle Claus Neumann geschlüpft, schwingt sich auf den Tisch, jenes imaginäre Pferd zu reiten. Dieser Claus Neumann entdeckt, im Tresorraum einer Filiale der Deutschen Bank nachts eingeschlossen, dass sein verstorbener Vater als Anwalt für jene Banker gearbeitet hat, die für die Finanzkrise, das Elend der Menschen in Griechenland verantwortlich sind und das Geld kleiner Leute mit windigen Anlagen vernichtet haben.

So scharf seine Analysen auch sind, so komisch sind seine Spielszenen und Vergleiche. Die Zukunftsprognosen der Finanzanalysten? Das ist, als säßen sie im Auto, blickten nach hinten, zählten die überholten Fahrzeuge und errechneten daraus die Fahrtrichtung. Parallelwelten entlarvt er, hier die Finanzwelt, dort die Menschen. "Wir schaffen es nicht, zehn Milliarden Dollar in einem Jahr aufzubringen, um die Menschen in Flüchtlingslagern zu versorgen, aber 100 Milliarden für windige Bankgeschäfte an einem Wochenende!" Er zielt auf die Doppelmoral jener, die im Bioladen einkaufen, sich aber von einer Demo gegen Kernkraftwerke am Samstag beim Shoppen gestört fühlen. Er fragt, wozu ein Bruttoinlandsprodukt gut ist, das nur auf dem Geldwert beruht, nicht aber ehrenamtliche Arbeit würdigt.

Es ist klare, harte Kost, die von Wagner aber komödiantisch serviert wird. Wofür immer wieder Zwischenapplaus aufbrandet. Die "Theorie der feinen Menschen" ist auch vier Jahre nach ihrer Premiere aktuell.