Ingolstadt
Es geht doch nichts über das Original

Enttäuschende Inszenierung des Musicals "Phantom der Oper" im Ingolstädter Festsaal

07.01.2018 | Stand 02.12.2020, 16:59 Uhr

Beliebter Ansprechpartner: Portier Monsieur Philippe (Jens Bogner) mit den Balletttänzerinnen. - Foto: Hammerl

Ingolstadt (DK) Wer das Original "Das Phantom der Oper" von Andrew Lloyd Webber erwartet hat, muss sehr enttäuscht gewesen sein. Die sogenannte Originalproduktion von Arndt Gerber und Paul Wilhelm, die am Samstagabend im Festsaal des Ingolstädter Stadttheaters gezeigt wurde, plätscherte ziemlich ambitionslos vor sich hin.

Das Musical beginnt mit dem Hin-und-Her-Laufen einzelner Figuren - Spannung baut sich so nicht auf, eher Fragezeichen in den Augen der Zuschauer. Gesang bleibt in der ersten halben Stunde eine Rarität, ein paar Takte Gesangsübungen, die wohl nicht ernst genommen werden wollten, das ist es erst einmal. Musical oder Schauspiel mit Musik, fragt sich da so mancher. Doch für ein gutes Schauspiel reicht die Darbietung bei weitem nicht. Stefanie Wessers Christine ist eine affektierte, alberne Gans, dafür gefällt die Sängerin später stimmlich durchaus. Dasselbe gilt für das Phantom. Eugene F. Raggio sonore Stimme weiß zu gefallen, dafür gebricht es seinem Phantom leider an Tiefgang, die Ambivalenz der Figur fehlt - er kommt schlicht als furchterregender Böser rüber, aber auch das nicht wirklich überzeugend. Wer schauspielerisch voll überzeugt, das ist der Portier, dem Jens Bogner eine unnachahmliche Grandezza verleiht. Auch Barbara Freitag gefällt als exzentrische Sopranistin mit Starallüren, sowohl mimisch als auch stimmlich.

Zu den musikalischen Höhepunkten gehören ihre aus der Oper "Die Perlenfischer" von George Bizet entliehenen Partien. Hans Jürgen Zander als Operndirektor Moncharmin und Alexander Hohler als Sekretär Remy agieren im ersten Teil hölzern, später punkten sie mit Slapstick ähnlichen Einlagen, die allerdings Geschmackssache sind. Da stellt sich die Frage, ob das Karikatur oder Parodie sein soll. Nadine Pohl erfüllt ihre Rollen als Logenschließerin und Ballettmeisterin, wobei Letztere leider nur über eine Art Sparballett verfügt. Vier Balletteusen sind ein wenig mager - im doppelten Sinne. Das Orchester erfüllt seine Aufgabe unter Leitung von Lajos Taligás unspektakulär, aber durchaus passabel.

Die ersten Zuschauer gehen nach knapp 20 Minuten, einige weitere Plätze bleiben nach der Pause leer, doch das Gros der Zuschauer im nahezu ausverkauften Festsaal bleibt und applaudiert höflich, wenn auch wenig enthusiastisch. Zu Beginn des zweiten Teils nimmt das Ganze etwas an Fahrt auf. Optischer Höhepunkt ist die Bootszene in den nebelumwallten Kanaltiefen der Pariser Oper. Für Tourneetheater und die beschränkten Umbaumöglichkeiten des Festsaals ist das aus verschiedenen Leinwandprojektionen bestehende Bühnenbild eine gute Lösung, rätselhaft bleibt die seitlich positionierte Puppe, die wohl Christine darstellen soll.

Die Melodien wären ganz nett, wenn sie nicht automatisch an Webbers Original gemessen würden. Was der Inszenierung von Manfred von Wildemann schlicht fehlt, ist Inspiration, der berühmte Funke will einfach nicht überspringen, und das Ensemble scheint das schon so gewöhnt zu sein, dass es sich auch nicht übermäßig ins Zeug legt. Am Ende steht höflicher Applaus für eine mittelmäßige Aufführung.