Ingolstadt
Wie eine Dampflok in voller Fahrt

In der Neuen Welt wird Björn Berge seinem Ruf als Ausnahmegitarrist gerecht

05.06.2012 | Stand 03.12.2020, 1:25 Uhr

Er kann alles – auch sich mal ganz konzentrativ zurückfallen lassen. Björn Berge begeisterte in der Neuen Welt - Foto: Löser

Ingolstadt (DK) Es hat gar nichts mit den in Norwegen häufig anzutreffenden Trolls zu tun, nein, der Saitenzauberer Björn Berge aus dem hohen Norden ist tatsächlich so sagenhaft gut. Seine Technik als Gitarrist ist die eines wirklichen Virtuosen, seine Spielweise einzigartig, seine stilistische Offenheit bekundet den experimentierfreudigen Tüftler, der stets auf der Suche ist nach dem, was man auf einer akustischen Gitarre mit sechs oder zwölf Saiten über das Herkömmliche hinaus sonst noch so alles anstellen kann.

Und das ist in seinem Falle anscheinend schlichtweg alles. Vom Blues nach Art von Sleepy John Estes und Robert Johnson über die Songs von Joni Mitchell bis hin zur brachialen Urgewalt von Metallica und Motörhead ist ihm und seinem Instrument nichts fremd. Das zeigt sich bei seinem Auftritt in der Neuen Welt. Ein kleiner Verstärker, ein paar Effektgeräte, ein Fußpedal als rhythmische Unterlage – fertig! Los geht’s!

Und zwar in beängstigendem Tempo, mit mächtigem Sound und mit wie selbstverständlich aus dem Ärmel geschüttelten Tricks, dass einem Hören und Sehen vergeht. Bereits ganz zu Beginn nach „Sick'n'Tired“ und „Once Again“, den zwei ersten in einer langen Reihe von exzellenten Eigenkompositionen aus dem ebenso exzellenten Album „Blackwood“, geht ein Raunen durch den Saal, das dann in donnernden Applaus mündet. Dieser Björn Berge ist tatsächlich der angekündigte Saitenmagier, der legitime Nachfahre von Leo Kottke und Monte Montgomery, dessen Gitarren klingen, als wären sie je nach Lust und Laune eine Metalband oder ein vielköpfiges Orchester, der sich bei Bedarf ganz weit zurückfallen lässt, um dann aus dem Stand in orgiastische Raserei zu verfallen. Sollte es je so etwas wie ein Casting um personifizierte Energie oder leibhaftige Dynamik unter Gitarristen geben, Berger wäre eindeutig Sieger.

Im Hinblick auf die Vielfältigkeit seiner Spielweise lässt der Mann mit der zornigen Stimme und dem stürmischen Sound seine Vergleichspartner Kottke und Montgomery sogar noch hinter sich, weil er nicht nur die legendären Bluesmänner zu seinen Vorbildern zählt sondern auch Hochgeschwindigkeitspicker wie Earl Scruggs und Lester Flatt. Da klingt eine Gitarre schon mal nach Banjo und es riecht geradezu nach Hardrock-Bluegrass.

Björn Berge, das ist eine akustische Dampflok in voller Fahrt, die rockt, rollt, stampft und durch die Songs pflügt, das ist ein Naturschauspiel, dem man als Augen- und Ohrenzeuge einfach nur fasziniert gegenübersteht. Ein Orkan, der gottlob keine bleibenden Schäden versursacht, sondern vielmehr pures Entzücken. Was für ein Konzert!