Ingolstadt
Zwischen Politik und Tortenschlacht

Mit dem "Spielzeitcocktail" eröffnete das Stadttheater Ingolstadt die Saison Publikumspreis für Teresa Trauth

01.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:25 Uhr

Was für ein Saisonauftakt! Teresa Trauth (links) bekam von Hans-Joachim König den vom Rotary-Club Ingolstadt-Kreuztor gestifteten Publikumspreis überreicht. Und das Ensemble stimmte die Zuschauer mit theatralen Kostproben auf die Stücke der Spielzeit ein. - Fotos: Weinretter

Ingolstadt (DK) Spot auf den roten Vorhang. Eine Hand taucht auf. Ein Kopf. Dann die ganze Teresa Trauth in schwarzer Dienstmädchentracht und mit roter Clownsnase. "Wenn ich im Theater was zu sagen hätte, würde ich zwei Clowns engagieren. Sie treten im Zwischenakt auf und machen Publikum. Sie tauschen ihre Ansichten über das Stück und die Zuschauer aus. Schließen Wetten ab über den Ausgang", sagt sie zu Stefano di Buduo. Ein kleiner - vielversprechender - Ausschnitt aus "Fall der Götter", der Eröffnungspremiere im Großen Haus am 6. Oktober. Und während Sandra Schreiber ein betörendes "Send In The Clowns" singt, tritt das gesamte Ensemble auf - alle mit roten Clownsnasen - und stimmt "Seasons in the Sun" an.

Was für ein Auftakt! Nicht nur, weil sich der neue Spielplan des Stadttheaters Ingolstadt zwischen diesen beiden Polen - Gelächter und Tod - spannt, sondern auch, weil Teresa Trauth eine Stunde später noch einmal an dieser Stelle stehen wird. Und mit den Tränen kämpfen wird, während auf der großen Leinwand Fotos ihrer zahlreichen Rollen projiziert werden und Heiner Kondschak als Laudatio ein sehr persönliches Lied singt. Denn Teresa Trauth ist die neue Preisträgerin des Rotary-Theater-Publikumspreises, der am Samstagabend zum 14. Mal im Großen Haus des Stadttheaters verliehen wurde. "So knapp wie nie" sei die Entscheidung diesmal gewesen, hatte Intendant Knut Weber zu Beginn erklärt.

Teresa Trauth hatte schon zu Beginn seiner Intendanz in Ingolstadt als Marie im "Woyzeck" und in Elfriede Jelineks "Winterreise" von sich reden gemacht. Seit 2012 ist sie - nach Engagements in Tübingen, Kassel und Karlsruhe - Mitglied des hiesigen Ensembles, spielt sieben Instrumente, textet, schreibt, komponiert und illustriert, hatte zuletzt die Elisabeth in Schillers "Maria Stuart" verkörpert, in "Der Vorname" ihr Talent fürs Komische unter Beweis gestellt und sich mit "Freifahrt im Rad der Gedanken" den Wunsch nach einem eigenen Liederabend erfüllt. "Das Geld kann ich gut gebrauchen", erklärte sie denn auch in ihrer Dankesrede. "Ich werde irgendwann eine CD aufnehmen." Schließlich ist der Preis, über den das Publikum abstimmt, der aber (samt silberner Anstecknadel) vom Rotary-Club Ingolstadt-Kreuztor gestiftet wird, mit 3000 Euro dotiert.

Teresa Trauth freute sich. Sichtlich bewegt dankte sie Hans-Joachim König, der ihr den überdimensionalen Scheck und das kleine Schmuckkästchen überreichte, dem Publikum ("Das bedeutet mir sehr viel"), Laudator Heiner Kondschak, mit dem sie eine 20-jährige Freundschaft und Zusammenarbeit verbindet, und vor allem der künstlerischen Leitung, Knut Weber und Donald Berkenhoff: "Ein Schauspieler kann nur dort gut sein, wo er gewollt ist", sagte sie.

Rotarier Hans-Joachim König hatte zuvor auf den Wert der Bildung und die Bedeutung des Theaters hingewiesen und aus der Anzeigenkampagne namhafter Theaterintendanten zur Bundestagswahl in der "Zeit" zitiert, zu deren Unterzeichnern auch Knut Weber zählte. "Theater sind Erfahrungsräume der Demokratie", hieß es da.

Schon bei der Begrüßung hatte Knut Weber kurz die Bundestagswahl gestreift: "Das Land ist in Aufruhr ob der Ergebnisse. Ich sehe das ein bisschen gelassener. Dass 87 Prozent der Wahlberechtigten für ein freundliches, offenes Deutschland stimmen, ist doch eine gute Nachricht." Allerdings vermisse er Visionen. "Wir müssen mehr investieren in die Bildung", forderte er. "Die Kultur ist der Kitt, der die Gesellschaft zusammenhält." Und wies in diesem Zusammenhang auch darauf hin, wie skandalös Länder wie Russland oder die Türkei mit Journalisten oder Kulturschaffenden umgehen, indem sie ihre Arbeit behindern, sie einsperren oder mundtot machen. Etwa wie im Fall des Kultregisseurs und Kreml-Kritikers Kirill Serebrennikov - als Demonstration ihrer Macht. Alle sollen sehen, dass der Staat den Kulturbetrieb im Griff hat. Klare Worte - dadurch hat sich Knut Weber schon immer ausgezeichnet. Genauso wie durch kluge Spielpläne und kulinarische Theaterabende.

All das bekam man am Samstagabend zu hören, sehen und erleben. Denn im Schnelldurchlauf ging es moderiert von Heiner Kondschak (endlich wieder erbauliche Zwei- und Vierzeiler!) in musikalischen und szenischen Häppchen durch die ersten Produktionen der neuen Saison: Ein Lied aus "Stella" (gesungen von Sarah Horak, Richard Putzinger, Felix Steinhardt, Peter Reisser, Peter Polgar und Ralf Lichtenberg), eine Szene aus dem Science-Fiction-Tanztheater "Frank Stein und Family" (Paula Gendrich, Benjamin Dami, Seung Hwan Lee), Peter Greifs durchgeknallte Märchenstunde, Tortenschlacht und Witzerunden, Matthias Zajgiers fortgesetzt brandgefährliche "Biedermann"-Rufe, Mira Fajfers betörender "Lulu"-Chanson oder die virtuose Zugflöten-Darbietung von Tobias Hofmann, der mit seiner illustren Band nicht nur das Programm, sondern auch die Party beschwingt begleitete. Das alles machte auf jeden Fall Lust auf mehr. Und nach Michael Amelungs Reinhard-Mey-Interpretation "Die heiße Schlacht am kalten Buffet" ging es dann nach 90 Minuten tatsächlich ans längste Buffet der Stadt.

Mittlerweile ist es schon Tradition, den "Spielzeitcocktail" mit Gesprächen bei Apfelkuchen und Zimtschnecken, Tomaten-Mozzarella-Häppchen und Nudelsalat ausklingen zu lassen. Ein Beitrag zum Buffet ist die Eintrittskarte zu dieser Auftaktveranstaltung. Wie gut das funktioniert, zeigte sich nicht nur daran, dass alle Einlasskarten schon im Vorfeld rasend schnell weg waren, sondern auch wieder an der Opulenz des Buffets.