Ingolstadt
Zauberhafte Märchenwelt

Das Südthüringische Staatstheater Meiningen ist mit "Hänsel und Gretel" zu Gast in Ingolstadt

24.11.2015 | Stand 02.12.2020, 20:30 Uhr

Pittoreske Hexe: Stan Meus in „Hänsel und Gretel“. - Foto: Ed

Ingolstadt (DK) Engelbert Humperdincks „Hänsel und Gretel“ ist eine Steilvorlage für alle an einer Aufführung Beteiligten. Ob dabei nun eine psychologisch hochtrabende Phantasmagorie voller zwischenmenschlicher Abgründe aus dem Hut gezaubert oder lieber ein ebenso schlichtes wie schönes musikalisches Märchen präsentiert wird – beides hat seine Berechtigung.

Das Südthüringische Staatstheater Meiningen hatte sich bei seinem Gastspiel am Stadttheater Ingolstadt für Letzteres entschieden und eine kindgerechte, im wahrsten Sinne des Wortes märchenhafte Inszenierung entwickelt. Regie, Musik, Schauspiel und Bühnenbild – alles zeigte sich stringent geplant und ohne Scheu vor Kosten und Mühen durchgeführt. Da seilte sich eine große Pappmaché-Spinne auf die Zuschauer herab, und das elegant-farbenfroh gewandete Sandmännchen (Elisabeth von Stritzky) erschien mit gläserner Stimme aus seinem zauberhaften, moosigen Aufklapp-Baum. In einem Wald aus riesenhaften Stoffbahnen gelangten die Geschwister zu einer beinahe mystisch-zuckersüßen Spinnenhöhle mit „Home-Sweet-Home“-Atmosphäre.

Zugegeben, nicht nur die Knusperhexe (Stan Meus) hatte abseits der gesanglichen Stärke in Mimik und Gestik etwas Überzogenes. Auch die anderen Sänger überzeichneten gelegentlich ihre Rollen, allerdings nie soweit, dass sie der Lächerlichkeit anheimgefallen wären. Sieht man die Inszenierung mit Kinderaugen, birgt sie gerade dadurch einen eigenen Reiz und viel Identifikationspotenzial mit den Protagonisten. Die Idee, alle drei Bilder in drei Ebenen räumlich hintereinander zu staffeln, erwies sich als sehr gute Lösung, um langwierige Umbaupausen weitgehend zu vermeiden.

Die gesangliche Leistung war tadellos und vor allem die Aussprache der Sänger bemerkenswert gut. Hänsel (Carolina Krogius) und Gretel (Anne Ellersiek) glänzten in der Gratwanderung zwischen gesanglicher und schauspielerischer Darbietung und bewiesen eine beachtliche Ausdauer. Dass da der ein oder andere Ton im Tanz und in der Turnerei dynamische Unebenheiten aufwies, kann man getrost überhören.

Das Elternpaar (Dae-Hee Shin und Rita Kampfhammer) präsentierte sich als der heimliche Höhepunkt des Abends. Zwar sind dies dankbare Partien, aber gerade im Simplen macht sich Professionalität meist deutlich bemerkbar. Professionell klang auch das feinfühlige Orchester, welches von Philippe Bach nuancenreich geführt wurde und mit großen Bögen durch die bunte Märchenwelt der Noten mäanderte. Einzig und allein an kritischen Stellen – der Notentext hat durchaus seine Tücken – hätte dem Klang etwas mehr Sicherheit nicht geschadet.

Unter der Leitung von Eva-Maria Atzerodt hatten junge Schülerinnen und Schüler des Reuchlin-Gymnasiums als erlöste Lebkuchenkinder die Möglichkeit, Bühnenerfahrung zu sammeln. So feierten sie gemeinsam mit Hänsel, Gretel und deren Eltern die gebackene Hexe, dass jede moralisch eher grobschlächtige Idee des gewaltsamen Todes der Zauberin wie weggefegt schien.

Alles in allem ein niveauvolles, allerdings etwas brav wirkendes Konzept – entwickelt mit viel Liebe zum Detail und einem starken Ensemble.

Weitere Vorstellungen gibt es am heutigen Mittwoch und morgen, Donnerstag, jeweils um 19.30 Uhr.