Ingolstadt
Wo die Musik des Glückes Nahrung ist

Standing Ovations für Nina Wurmans kulinarischen Liederabend "Glück gehabt" im Neuen Schloss zu Ingolstadt

29.11.2013 | Stand 02.12.2020, 23:21 Uhr

„Kauf dir einen bunten Luftballon“: Familie Glück lädt zum „American Dinner Theater“. Es singen und spielen: Julia Maronde, Enrico Spohn, Thomas Schrimm, Johannes Mittl, Renate Knollmann und Nina Wurman (von links). - Foto: Olah

Ingolstadt (DK) Sie sind eine schrecklich nette Familie – ganz ohne durchgesessenes Sofa, wie die Bundys eins haben. Sie sind nicht so durchgeknallt wie die Munsters und nicht so morbid wie die Addams Family. Doch schräg sind sie auch: Mama, Papa, Omi und Tochter Glück. Letztere heißt Felicitas (lateinisch für Glück). Aber so richtig vom Glück verwöhnt sind sie nicht. Oma ist schon ein bisschen dement, Mama scheint einen Hang zur Depression zu haben, Tochter Feli ist ein pubertierender Teenager und Vater Glück plagen Geldsorgen. Um an finanzielle Mittel zum Unterhalt ihres Schlosses zu kommen, laden sie zum festlichen Dinner mit Musik in die herrschaftlichen Hallen. Aber dabei geht natürlich jede Menge schief.

„Glück gehabt“ hat Nina Wurman ihren kulinarischen Liederabend genannt, der am Donnerstagabend im Neuen Schloss mit Standing Ovations gefeiert wurde. Das Stadttheater Ingolstadt zeigt dieses Down-Town-Projekt im angemessenen Rahmen: Die Dürnitz des Neuen Schlosses bildet als Wohnsitz der Familie Glück den Spielort. „Als Dürnitz bezeichnet man den heizbaren Bereich in den älteren Burganlagen, die großen Festsäle waren ja meist schlecht beheizt“, erklärt Ansgar Reiß, Direktor des hier beheimateten Bayerischen Armeemuseums, der sich über dieses besondere Gastspiel freut. „Insofern ist es passend, dass man es sich hier gutgehen lässt.“

Rund 120 Gäste finden an den beiden langen Tafeln Platz, die Bühnenbildnerin Luisa Rienmüller in den Gewölbesaal gestellt hat. An der Stirnseite – und etwas erhöht – befindet sich der Tisch der Familie. Links ein Schaukelstuhl für die Oma, rechts das Klavier samt ausgestopftem Hund. Begrüßt wird man von den „Schlossherren“ an der Tür – und zur Bar geleitet. Ein Gläschen Sekt gefällig?

Man setzt sich. Die Glocke ertönt. Und die Familie stimmt ein „Welcome“-Lied an. Man ist gut gelaunt, wirft sich in Pose, singt und lacht – bis aus der „Küche“ großes Scherbenklirren zu hören ist. Nun geht die Hektik los. Zwischen Verzweiflung und Durchhalteparolen singen sich die Vier durch den „desaströsen“ Abend. Aber weil im Scheitern eben oft eine große Komik liegt, wird in den nächsten 80 Minuten ziemlich viel gelacht.

Etwa, wenn Enrico Spohn als schwarz befrackter Vater Glück zum Beatles-Song „Happiness Is a Warm Gun“ Luftgitarre spielend auf dem Tisch tanzt, wenn Renate Knollmann als Girlie in Leggins und Ultrakurz-Mini „Glücklich sein“ von Lumaraa rappt, wenn Thomas Schrimm als Mutter Glück im monströs geblümten Kleid mit Pur „Weint vor Glück“ oder Julia Maronde – ganz in Beige mit Pompadour – mit „Kauf Dir einen bunten Luftballon“, dem Schlagerhit aus dem gleichnamigen 60er-Jahre-Film, in Erinnerungen schwelgt.

Etwa 20 Songs haben Nina Wurman und Dramaturgin Sophie Scherer ausgewählt, die die ganze emotionale Bandbreite des Glücks widerspiegeln: Sehnsucht und Melancholie, Herz und Schmerz, Freiheit und Zufriedenheit. „Für mich ist Glück, wenn der Tag mal keine Lust hat“, singt Thomas Schrimm. Später wird er die Louis-Armstrong-Hymne „What a Wonderful World“ anstimmen, die Regisseurin Wurman mit einem charmanten „C’est si bon“ verfeinert hat. Da sind schon längst alle hingerissen von Renate Knollmanns Version des Stevie-Wonder-Songs „If It’s Magic“.

Die Palette reicht von Bobby McFerrins „Don’t Worry Be Happy“ über Beatles-Songs wie „I’m Happy Just to Dance with You“ und dem Turtles-Hit „Happy Together“ bis zu alten Schlagern wie „So oder so ist das Leben“ und „Que Sera, sera“. Doch Nina Wurman hat die Nummern aus verschiedenen Genres und Jahrzehnten keck arrangiert, ihre fabelhafte Live-Band (sie selbst an Kontrabass und Akkordeon, Johannes Mittl am Klavier und Dirk Rumig an Saxofon und Bassklarinette) musiziert mit Verve, und das vierköpfige Ensemble singt und spielt sie komplett gegen den Strich gebürstet, mal als Parodie, mal als Parole, mal zutiefst berührend, mal hoch komisch.

Wieder einmal stellt das Schauspielensemble seine atemberaubende Sangeskunst unter Beweis. Und wie stets, wenn Schauspieler einen Liederabend bestreiten, lohnt der Blick auf die Details – kleine Gesten, Mimik, Trippelschritte.

Ach ja, das Essen (von Cantina International) kommt dann tatsächlich auch noch – trotz fortgesetzter Küchenkatastrophen. Es gibt Fingerfood – pikant, fruchtig, deliziös. Und als musikalische Zugabe „Celebration“ (Cool and the Gang).

Eine amerikanische Studie belegt, dass Musik im Gehirn Prozesse in Gang setzt, die für Glücksgefühle sorgen. Nina Wurmans Liederabend „Glück gehabt“ liefert dafür einen schlagenden Beweis.

Der Termin am 5. Dezember entfällt. Weitere Vorstellungen gibt es am 6., 14., 20., 28. und 29. Dezember sowie am 11. und 12. Januar.