Ingolstadt
"Wir werden neue Wege gehen"

04.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:41 Uhr

Ingolstadt (DK) Die Audi-Sommerkonzerte wirkten in diesem Jahr ausgedünnt. Es wurden nur zehn Konzerte angeboten und viele Plätze blieben unbesetzt. Wir sprachen mit Melanie Goldmann und Sebastian Wieser, beide verantwortlich für das Musikfestival.

Frau Goldmann, Herr Wieser, welches Konzert bei den Sommerkonzerten hat Ihnen ganz persönlich am besten gefallen?

Melanie Goldmann: Alle eingeladenen Künstler haben eine großartige Leistung vollbracht. Man muss hier qualitativ gar nicht weiter differenzieren. Mein persönlich schönster Konzertabend bis zum Abschlusskonzert war das Konzert von Mirga Grazinyte-Tyla mit dem City of Birmingham Orchestra. Beim Gastspiel der Salzburger Festspiele mit Teodor Currentzis hatte ich ein zündendes Erlebnis. Im Saal war deutlich zu spüren, wie mitgerissen das Publikum war. Gefühlt saß es fast mit auf der Bühne.

Sebastian Wieser: Auch ich fand das Konzert mit Currentzis ganz außergewöhnlich. Inhaltlich mit am spannendsten war für mich das Konzert mit Gabriela Montero, besonders der zweite Teil mit den Improvisationen. Mich hat begeistert, dass die Ingolstädter so engagiert mitgemacht haben, ohne alle Hemmungen.

 

Dennoch war dieses Konzert mit Gabriela Montero genauso wie viele andere Konzerte des Festivals in diesem Jahr eher schlecht besucht. Obwohl die Sommerkonzerte in diesem Jahr ein Erfolg waren, das jedenfalls ist die Meinung der meisten Besucher, mit denen wir gesprochen haben. Warum aber blieben so viele Plätze frei?

Wieser: Im Großen und Ganzen sind die Besucherzahlen so, wie wir es erwartet haben. Bei dem einen oder anderen Konzert hätte man sich vielleicht gewünscht, dass ein paar mehr Leute kommen. Aber für uns ist das Entscheidende die Qualität der Konzerte. Die muss stimmen, das ist das oberste Kriterium. Außerdem gab es in diesem Jahr im Juli sehr viele Parallelveranstaltungen in Ingolstadt wie z. B. das Bürgerfest. Hier wollen wir uns in Zukunft noch besser mit anderen Kulturveranstaltern abstimmen. Deshalb möchten wir die Initiative ergreifen und planen für Herbst einen Round-Table mit den Ingolstädter Kulturschaffenden.

Goldmann: Wir müssen auch die Rahmenbedingungen berücksichtigen. Dieses Jahr fand eine Vielzahl der Konzerte im Ingolstädter Festsaal statt. Dieser Saal ist mit knapp 1400 Plätzen ausverkauft. Das ist eine Menge und nicht für jedes Konzert in Ingolstadt die perfekte Größe.

 

Sie meinen, der Saal ist zu groß für die Sommerkonzerte?

Goldmann: So würde ich das nicht sagen, aber zur Einordnung ein Beispiel: In der Stadt Perm in Russland, dem Stammsitz des Currentzis-Orchesters MusicAeterna, wird gerade ein neues Konzerthaus gebaut. Die beiden Säle fassen nicht mehr als 1200 Gäste. Und das in einer Stadt mit über eine Million Einwohner. Das hat mir das Team von Teodor Currentzis nach dem Konzert erzählt.

Wieser: Oder denken Sie an Bochum, eine Stadt, die etwa dreimal so groß ist wie Ingolstadt. Dort fasst der neu gebaute Konzertsaal nur 1000 Gäste. Für ein facettenreiches Programm bei den Audi-Sommerkonzerten wäre es manchmal schön, einen weiteren Saal mit ungefähr 600 Plätzen zu haben, denn Besucherzahlen sind oft relativ.

 

Fest steht dennoch, dass die Konzerte heuer schlechter verkauft waren als in den vergangenen Jahren. Gibt es ein Vermarktungsproblem?

Wieser: Es hält sich fest der Mythos, für die Sommerkonzerte gibt es keine Tickets. Dem ist nicht so, es gibt für alle Konzerte im freien Vorverkauf Karten. Vielleicht könnte man bei der Werbung noch ein wenig nachlegen. In diesem Jahr haben wir besonders versucht, in den sozialen Netzwerken noch mehr auf die Konzerte aufmerksam zu machen. Aber auch da ist sicher noch Luft nach oben.

 

Früher hatten die Sommerkonzerte den Ruf, einzigartige Künstler und Konzerte anzubieten. Heute ist das nicht mehr so offensichtlich, obwohl natürlich auch in diesem Jahr ein Teodor Currentzis sonst kaum nach Ingolstadt kommen würde. Benötigt das Image der Sommerkonzerte ein Update?

Wieser: Ich denke, es ist sehr subjektiv, was ein einzigartiger Künstler ist. Mit Gabriela Montero und Mirga Grazinyte-Tyla, um nur zwei Beispiele zu nennen, waren wirklich herausragende Musiker in Ingolstadt. Das sind Stars, die auf allen großen Bühnen der Welt zu Gast sind. Vielleicht muss man manches noch besser erklären, etwa dass Mirga Grazinyte-Tyla wirklich ein neuer Star am Dirigentenhimmel ist.

 

Vielleicht setzen Sie zu sehr auf Newcomer, die noch nicht so bekannt sind? Wenn man sich andere Festivals in der Umgebung von Ingolstadt ansieht, dann kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die noch größere und bekanntere Namen aufbieten. Künstler wie Hilary Hahn, Patricia Kopatchinskaja, Christian Gerhaher beim Kissinger Sommer. Oder Jonas Kaufmann, Placido Domingo und José Carreras bei den Schlossfestspielen Regensburg.

Wieser: Das ist eine Frage des Anspruchs und des Konzepts. Wir legen Wert darauf, dass wir hier nicht nur ein Festival der Stars machen mit Künstlern wie Placido Domingo. Die Sommerkonzerte waren immer eine Plattform für junge aufstrebende Künstler. Deshalb sind Musiker wie Mirga Grazinyte-Tyla oder Jan Lisetcki genau richtig hier.

 

Leiden die Sommerkonzerte unter Sparzwängen? Muss man Demut und Bescheidenheit zeigen angesichts der Skandale und Verwerfungen im Umfeld der Diesel-Krise? Wie sonst ist es zu erklären, dass heuer nur zehn Konzerte angeboten wurden?

Goldmann: Audi bekennt sich zu den Sommerkonzerten. Es ist uns wichtig, gerade hier in der Region ein besonderes Angebot zu schaffen. Und man kann von der Anzahl der Konzerte nicht auf finanzielle Mittel schließen, dieser Zusammenhang wäre konstruiert. Uns geht es hier um etwas anderes: Wir schauen ganz genau hin, welches Programm zu den Menschen hier am Standort und darüber hinaus passt. Die Anzahl der Konzerte ist da sekundär.

 

Was ist überhaupt Ziel und Anspruch der Sommerkonzerte?

Goldmann: Als Kulturveranstalter möchten wir mit den Sommerkonzerten die Mitarbeiter von Audi, aber auch die Menschen aus Ingolstadt und darüber hinaus für Musik begeistern. Wir möchten sie emotional erreichen, ja, auch unterhalten. Am Ende können wir so den Menschen eine Freude machen und die Kulturbranche fördern. So wird das Unternehmen ein Stück weit seiner gesellschaftlichen Verantwortung gerecht.

 

Die Open-Air-Konzerte waren erneut ein großer Erfolg. Wenn man allerdings über die Qualität der Konzerte nachdenkt, fällt auf, dass die nicht so hoch gehängt wurde wie bei den Konzerten im Saal. Die beiden Ingolstädter Orchester mussten ohne Solisten und ohne Feuerwerk auskommen. Warum?

Wieser: Die Audi-Bläserphilharmonie hat in ihrem Programm auf Rock- und Pop-Melodien gesetzt. Diese Musik benötigt keine Solisten. Für das Konzert des GKO hat Ruben Gazarian ein stimmungsvolles, rein orchestrales Bizet-Programm vorgeschlagen. Für die beiden Ingolstädter Ensembles ist es auch gut, im Mittelpunkt der Konzerte zu stehen, ohne dass die Aufmerksamkeit auf Solisten gelenkt wird. An beiden Abenden ist das sehr gut gelungen, die Leute haben getanzt und mitgesungen. Die Musik stand hier ganz klar im Mittelpunkt.

Goldmann: Mehr als 10 000 Besucher pro Abend im Klenzepark sprechen an dieser Stelle für sich.

 

Konzeptionell sehr erfolgreich waren die drei Jahre mit Kent Naganos Vorsprung-Festival. Warum knüpfen Sie nicht daran an und engagieren erneut einen großen Künstler? Wenn ein Konzept erfolgreich ist, sollte man doch damit weitermachen.

Goldmann: Die Zeit mit Kent Nagano war von Anfang an auf drei Jahre angelegt, mit dem Jubiläumsjahr als Höhepunkt.

 

Bei Nagano war alles noch etwas hochkarätiger. Bleibt es jetzt dabei, wird es auch im kommenden Jahr keinen Künstler als Programmmacher geben?

Goldmann: Natürlich haben wir über diese Frage nachgedacht. Es bleibt auch im nächsten Jahr dabei, dass es keinen Künstler als künstlerischen Leiter geben wird.

 

Wie sieht die Zukunft der Sommerkonzerte aus? Braucht das Festival neue Akzente?

Goldmann: Wir werden mit den Sommerkonzerten im nächsten Jahr neue Wege gehen. Wir sehen, wie sehr sich die Gesellschaft und die Kulturlandschaft verändern. Diese Impulse nehmen wir gerne für das Festival auf. So viel kann ich schon verraten: Wir werden aktiver auf die Menschen zugehen und uns auch künstlerisch weiterentwickeln.

 

Das Interview führte

Jesko Schulze-Reimpell.

 

 

Zur Person

Melanie Goldmann studierte in Stuttgart und arbeitet seit 2008 bei Audi. Seit 2016 ist sie Leiterin der Abteilung Kommunikation Kultur und Trends.

Sebastian Wieser studierte Kulturwirtschaft in Passau. Seit 2005 arbeitet er für Audi, seit Ende 2012 ist er Kulturreferent des Unternehmens.