Ingolstadt
Winterlicher Beethoven, süffiger Prokofjew

Ein grandioses Konzert des Daedalus Quartet mit Ingolstädter Schülern im Ingolstädter Orbansaal

21.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:47 Uhr

Ingolstadt (DK) Es bleibt alles ein wenig rätselhaft. Zum Beispiel wie es dem Pädagogischen Zentrum Förderkreis Haus Miteinander, das die Ingolstädter Montessorischule trägt, und dem Diözesanbildungswerk des Bistums Eichstätt gelingen kann, ausgesprochen hochkarätige Quartett-Ensembles einzuladen und auch noch davon zu überzeugen, mit den Schülern der Suzuki-Geigenschule zu arbeiten.

Ein kleines Wunder. Aber ein schönes Wunder, viel zu schön, um es zu hinterfragen. Denn bereits im vergangenen Jahr hatte das Kodály Quartet einen hervorragenden Auftritt in Ingolstadt. Heuer folgte nun das Daedalus Quartet aus den USA und gab in dem für Kammermusik-Ensembles sehr geeigneten Orban-Saal ein noch eindrucksvolleres Konzert.

Natürlich, ein Streichquartett dieses Rangs verfügt über eine vollendete Technik, ist nach 18 Jahren des gemeinsamen Musizierens bestens aufeinander eingestimmt. Aber Min-Young Kim, Matilda Kaul (beide Violine), Jessica Thompson (Viola) und Thomas Kraines (Cello) haben weit mehr zu bieten.

Deutlich wurde das besonders nach der Pause als Ludwig van Beethovens vielschichtiges Quartett op. 131 auf dem Programm stand. Ein Ereignis! Die vier Amerikaner spielten fast, als wollten sie eine Originalklang-Interpretation auf dem Streichquartett ausprobieren. Denn alles bloß Gefällige, jedes überflüssige wärmende Vibrato, jede oberflächliche Klanglichkeit ließen sie außen vor. Stattdessen gaben sie den an Bachs "Kunst der Fuge" erinnernden Kopfsatz wieder, als würden sie durch eine verlorene Winterlandschaft wandern, kühl, ehrfürchtig, mit schlankem Ton. Ein intensives Erlebnis. Aber es blieb nicht bei dieser Stimmungslage. Nach dem aufregend gespielten rezitativischen Zwischenspiel kam der lange Variationensatz. Hier konnte das Daedalus Quartet wirklich alle nur denkbaren Emotionen zeigen, vom lyrisch-romantischen Melos bis zu ruppigen Einwürfen. Nach einem rasanten Presto, hochvirtuos die zahlreichen Täuschungsmanöver, Trugschlüsse, Persiflagen ausspielend, dann nach einer warmen, nun vibratosatten Einleitung (6. Satz) am Ende das schroffe Allegro: Ein heftiger Abgesang, jeden Kontrast im Höchstmaß ausspielend. Eine wuchtige Darstellung, so feurig und intensiv zelebriert, dass eine virtuose Zugabe undenkbar gewesen wäre.

Im ersten Teil bereitete das Quartett den grandioses Konzert-Abschluss gleichsam vor - mit dem ersten Streichquartett von Sergei Prokofjew. Denn der Russe hat sich mit diesem Werk intensiv mit den kompliziert konstruierten Werken Beethovens auseinandergesetzt. Entsprechend sonatenhaft komplex kommt das h-Moll-Quartett daher. Das Daedalus Quartet spielte diese Musik mit einem quasi demokratischen Verständnis, indem es jede Stimme, jede motivische Verflechtung durchsichtig und gleichberechtigt nachvollzog - ohne dabei allerdings die Tiefe des Beethovens zu erreichen. Vielleicht hätte in den beiden ersten Sätzen manches Thema noch bizarrer klingen können, hätten die fast manisch wiegenden Terzbewegungen im Schlusssatz noch eindringlicher sein können. Aber es gelang eine runde Darstellung. Und auch die eigens für das Daedalus Quartet 2016 komponierte "Chaconne" von Fred Lerdahl vermochte zu überzeugen. Aus wenigen Tönen - sich reibende Sekunden, ein paar Intervalle - entwickelt sich in zahlreichen Variationen ein wahrer Kosmos neuer Melodien, rasender Tonkaskaden, rauschhafter Trillerketten.

Einen ganz anderen Höhepunkt des Konzertes gab es bereits ganz am Anfang zu erleben. Vier junge Geiger der Ingolstädter Montessorischule gestalteten ein Konzert von Georg Philipp Telemann, das sie zuvor mit den Musikern des namhaften Streichquartetts eingeübt hatten. Ein faszinierender Auftritt! Bewunderungswürdig, wie sauber und fehlerfrei musiziert wurde und vor allem, wie genau die vier Geiger aufeinander hörten, sich in jedem Moment perfekt abstimmten. Auch das ein kleines Wunder.