Ingolstadt
Wie klingt Heimat?

02.05.2016 | Stand 02.12.2020, 19:52 Uhr

Das szenische Konzert "Heimat" für Symphonieorchester, Chor und Schauspieler hat am Freitag in der Halle neun Premiere. - Foto: Aue

Ingolstadt (DK) Mojo, Pino und Anna arbeiten für eine Reinigungsfirma. Mojo ist aus Nigeria geflüchtet, Pinos Vater stammt aus Sizilien, Anna kommt aus der Ukraine. In einer Pause während des Arbeitseinsatzes in der Halle neun kommen sie ins Gespräch über Heimat, Sehnsucht und Identität.

"Heimat" heißt das neue szenische Konzert von Walter Kiesbauer für Symphonieorchester, gemischten Chor und drei Darsteller, bei dem er zum zweiten Mal - nach dem Familienkonzert "Suche Freund!" - mit der Theaterregisseurin Daniela Aue zusammengearbeitet hat. Premiere ist am Freitag um 20 Uhr im Kulturzentrum neun. Insgesamt sind drei Vorstellungen angesetzt. Was ist Heimat, fragt Walter Kiesbauer in seinem neuen musikalischen Projekt - und beleuchtet drei individuelle Schicksale mit durchaus realem Hintergrund. "Ein Italiener in meinem Freundeskreis hat 35 Jahre in Ravensburg gearbeitet und hat immer davon geträumt, nach Sizilien zurückzukehren, um sich dort ein Haus zu bauen", erzählt Kiesbauer. "Als er schließlich als Rentner zurückkehrte, musste er feststellen, dass er plötzlich ,il tedesco' (Der Deutsche) war - und nicht mehr dazugehörte." Im Stück schlüpft Ansgar Schäfer in die Rolle des Pino, einen Vertreter der zweiten Generation der Gastarbeiter, der irgendwo im Kohlenpott lebt und dessen Mutter nach 40 Jahren immer noch kein Deutsch kann. "Wenn man ihn fragt, wer er ist, kann er keine Antwort geben", erläutert Kiesbauer.

Für die Zeichnung der afrikanischen Figur hat er viel über den Völkermord in Ruanda gelesen. Wenn Mojo (Ricky Watson) erzählt, dann soll die Musik das Publikum in den schwarzen Kontinent entführen, bis ihn seine Erinnerungen an die Grausamkeiten einholen. "Dann versagt ihm die Stimme", sagt Kiesbauer. Aber die Musik erzählt weiter - von den Schrecken des Kriegs, von verbrannter Erde, zerstörter Landschaft. "Ein einziges Lacrimosa."

Auch die Ukrainerin Anna hat ein Vorbild in der Wirklichkeit. Sie - das wird sich im Lauf des Gesprächs herausstellen - kam nach Deutschland, um Chemie zu studieren. Doch später fand sie keinen Job in ihrem Fach. Jetzt wird sie ausgewiesen, obwohl sie bereits jahrelang in Deutschland lebt und gut integriert ist. Aber: "Wenn man nicht 18 Monaten nach Abschluss des Studiums einen studienaffinen Beruf ergreifen kann - den hat sie nicht gefunden -, dann kann man ausgewiesen werden. Das ist wirklich passiert", sagt Kiesbauer.

Drei Einzelschicksale, drei unterschiedliche Antworten auf die Frage: Was ist Heimat? Oder doch nur eine Antwort? Kann der Verlust der Heimat auch Chance sein? Ist Heimat überhaupt ein Ort? Oder ist es ein Gefühl? Für Kiesbauer selbst, der lange Jahre in Barcelona gelebt hat, ist Heimat vor allem die Sprache. "Ich glaube, was Heimat ist, erkennt man erst im Abstand von zu Hause. Manchmal muss man den Mut haben, seine Heimat zu verlassen, um sich selbst kennenzulernen."

Und wie klingt nun "Heimat"? "Verschieden", sagt Kiesbauer. Er hat Elemente des Jazz, der Volksmusik und der Moderne in seine Musik eingearbeitet, es gibt einen "Putzkolonnen-Rag", einen Italo-Pop-Song, ein bisschen Walzerseligkeit und mit "Mia san mia - und ihr seid's de andern" auch eine bayerische Nummer.

Am 6. und 7. Mai, jeweils um 20 Uhr, am 8. Mai um 18 Uhr. Karten in allen DK-Geschäftsstellen.