Ingolstadt
Wenn das Bild zu Klang wird

Familienkonzert im Museum für Konkrete Kunst mit Vardan Mamikonian

20.10.2014 | Stand 02.12.2020, 22:06 Uhr

Wie klingt ein Siebdruck von Christoph Niemann? Pianist Vardan Mamikonian machte es vor. - Foto: Rössle

Ingolstadt (DK) Da staunten die Kinderohren und -augen (und natürlich auch die der Erwachsenen!) am Sonntag beim Familienkonzert im Museum für Konkrete Kunst nicht schlecht: Wie gut, wie leicht zeitgenössische Kunst und Klaviermusik des 20. Jahrhunderts einander ergänzen können, hätte wohl vorher kaum jemand erwartet.

Der Konzertverein Ingolstadt hatte anlässlich der Finissage der Familienausstellung „eckig, rund und bunt“ zu einem Klaviernachmittag mit dem französisch-armenischen Pianisten Vardan Mamikonian geladen. Das bewährte Kinder- und Jugendprojekt „Meet the Artist“ wurde so erstmals aus den Schulen in ein Museum geholt.

Durch die Musikstücke und Exponate führte kindgerecht-kompetent die Ausstellungskuratorin Miriam Fuggenthaler im einfühlsamen Dialog mit den Kindern und dem Klaviervirtuosen. „Farbenspiel – Tastenspiel“ lautete der Titel, für dessen Programmauswahl sich Mamikonian von der Bilderserie „Das Menü“ des Grafikers und Illustrators Christoph Niemann hatte inspirieren lassen. In diesen Arbeiten, die einen kulinarischen italienischen Abend symbolisieren, befindet sich der Künstler an der Schnittstelle zwischen abstrakter und Konkreter Kunst.

Ähnlich verhält es sich musikalisch mit den drei Drucken für Klavier von Claude Debussy, in denen der Komponist klanglich verschiedene Orte und Situationen beschreibt: Mamikonian demonstrierte an den Tasten, wie die drei Stockwerke der „Pagodes“, der fernöstlichen Tempel, in jeweils verschieden hohen Oktavlagen angedeutet werden, versprühte anhand eines spanischen „Abends in Granada“ Habanera-Rhythmen samt Gitarrenimitationen, und ließ in den „Gärten im Regen“ Blitze zucken, Donner grollen, Regentropfen prasseln und am Ende einen Regenbogen aufgehen.

Beim Walzer „La plus que lente“, ebenfalls von Debussy, durften die Kinder dann direkte Verbindungen der Musik zu Niemanns Menü-Kunstwerken herstellen: Langsam und ruhig wie der tänzerisch-wiegende Dreiertakt wirkte etwa die Kaffeetasse von oben, dargestellt als großer schwarzer Kreis, oder das Carpaccio, abgebildet als pinkes Quadrat. Um einiges lebhafter kam Aram Khachaturians „Toccata“ mit ihrem schlagend-pulsierenden Charakter daher. Den entdeckte das junge Konzertpublikum etwa im in blauen Punkten sprudelnden Nudelwasser oder im gelb gepunkteten geriebenen Parmesankäse der Menü-Bilder wieder.

Als Paradestück für die kleinen Kunst- und Musikforscher erwies sich das „Spiel der Gegensätze“ von Henri Dutilleux: Die darin schier unerschöpflich enthaltenen pianistischen Kontraste – zum Beispiel lange und kurze, hohe und tiefe Noten, schwarze und weiße Tasten, sanfte und aggressive Spielweise – sahen sie optisch in den schwarz-weiß gepunkteten Salz- und Pfefferkörnern, in den mal kleineren, mal größeren Kreisen sowie im Verhältnis 1:2 zwischen dunklem Balsamico-Essig und hellem Olivenöl umgesetzt.

Anhand von Arno Babajanyans „Poème“, in Zwölftontechnik komponiert, erkannten die eifrigen Zuhörer schließlich, dass jeder Klang, jede Farbe und jede Form für etwas ganz Eigenes, Individuelles, Unverwechselbares stehen.

Eine wunderbare Quintessenz, die Groß und Klein bereichert aus dem Konzert entließ. Und einmal mehr beweist: Kinder behutsam an klassische Musik und Bildende Kunst heranführen kann man nicht früh genug!