Ingolstadt
Von Glücksschweinen und Weinflaschen

Das Ensemble Barockin' führte Bachs "Musikalisches Opfer" im Ingolstädter Stadtmuseum auf

01.01.2016 | Stand 02.12.2020, 18:51 Uhr

Spielerisches Silvestervergnügen mit dem international besetzten Ensemble Barockin'. - Foto: Schaffer

Ingolstadt (DK) Um eins der tiefsinnigsten und kompliziertesten Werke der Musikliteratur zu erklären - Johann Sebastian Bachs "Musikalisches Opfer" -, greift die Flötistin Kozue Sato gerne zu illustren Metaphern. Mit einigen Teilen des Werkes verhalte es sich wie mit einem dieser prächtigen Glücksschweine zu Silvester, sagt sie: Man könne sie essen, aber man müsse es nicht unbedingt.

Denn sie seien so bereits überaus schön. So ungefähr verhält es sich auch mit einigen Kanons, die Bach für den Preußen-König Friedrich II. komponiert hat. Sie sind überaus kunstvoll, ja genial konstruiert. Aber soll diese Mathematik in Noten auch wirklich gespielt werden? Immerhin hat Bach die kleinen Stücke manchmal nicht einmal instrumentiert. Sato liebt die Gleichnisse. Die berühmte Trio-sonate ist für sie schmackhaft wie eine üppige Schwarzwälder Kirschtorte. Und die beiden Ricercari sind wie Flaschen alten Weins. Sehr herben Weins übrigens, wenn man die Interpretation des Cembalisten Francis Jacob hört, der sich bei diesem Silvesterkonzert im Ingolstädter Stadtmuseum der Werke annimmt.

Wie überhaupt ein sehr ernster und strenger Zugriff bezeichnend ist für das Konzert des Ensembles Barockin' am Freitagabend. Die sechs Musiker spielen Bach auf Originalinstrumenten in historischer Manier. Das bedeutet natürlich, dass der Klang der Instrumente ungewöhnlich ausgewogen ist. Niemals dominiert die Flöte, da das barocke Instrument weit milder gefärbt ist als die Böhmflöte (oder auch die etwas spitzig klingende Blockflöte). Auch die Geige von Dmitry Lepekhov drängt sich nicht vor mit vibrato-warmen Tönen. Agogik und unüberlegte Ritardandi sind meist genauso tabu wie alle anderen überflüssigen Subjektivismen. Eine fast objektive Darstellung der Werke ist zu hören, eine Version, die Bach selbst möglicherweise sehr gefallen hätte, da jede Stimme sich gleichberechtigt entfalten kann, immer optimal durchhörbar ist und im Geflecht der anderen Töne sich behaupten kann, ohne zu verdrängen.

Lediglich in der Triosonate beginnen die Noten plötzlich zu tänzeln, die Musik wird, trotz geringer Dynamik, plastischer, vollmundiger. Das ist gut so, gibt es doch außer der Kontrapunktik noch eine ganz andere Seite im Schaffen Bachs: die Tanzsätze. Und fast erleichtert ist das Publikum, als es ganz am Ende des Konzerts davon noch mehr zu hören bekommt. Kozue Sato (als Flötensolistin) und die übrigen Musiker spielen drei Sätze aus der h-Moll-Suite - beschwingt, heiter, musikantisch. Besonders gut gelingt die Polonaise mit ihren überraschenden dynamischen Auf- und Abs. Welch ein spielerisches Silvestervergnügen: eindeutig kein Glücksschwein, in das man nicht reinbeißen möchte - sondern Kirschtorte, saftig und sahnig.