Ingolstadt
Theater Ingolstadt: "Glück" ist das Motto der neuen Spielzeit

26.09.2013 | Stand 02.12.2020, 23:37 Uhr

Mit „Glück“ hat das Stadttheater Ingolstadt seine Spielzeit überschrieben. Deshalb prangt über dem Eingang des Hämer-Baus seit Kurzem der Schriftzug „Glück“. Am 10. Oktober startet im Intendanzbüro von Knut Weber die Reihe „Glückliche Gespräche“ - Foto: Strisch

Ingolstadt (DK) „Glück“ hat das Stadttheater Ingolstadt als Motto für die neue Spielzeit gewählt. Im Zentrum steht nicht nur die Frage „Wie wollen wir leben“, sondern auch „Was macht ein glückliches Leben aus“ Vor allem mit zeitgenössischen Theaterstücken und Projekten wie den „Glücklichen Gesprächen“ begibt sich das Stadttheater zusammen mit dem Publikum auf Glücksforschung. Unsere Redakteurin Anja Witzke hat mit einem Glücksforscher gesprochen: Professor Karlheinz Ruckriegel (Foto), Volkswirtschaftler an der Technischen Hochschule Nürnberg, plädiert entschieden dafür, Lebensqualität und -zufriedenheit („Glück“) als Staatsziel im Grundgesetz zu verankern.

Was ist Glück genau?

Ruckriegel: Glück ist ein schillernder Begriff. Das Zufallsglück, also etwa die Wahrscheinlichkeit eines Lottogewinns, ist hier nicht gemeint. In der Glücksforschung geht es um das subjektive Wohlbefinden. Es gibt zwei Ausprägungen: das emotionale und das kognitive Wohlbefinden. Bei Ersterem geht es um die durchschnittliche Gefühlslage eines Tages. Gibt es mehr positive oder mehr negative Gefühle? Um glücklich zu sein, sollte das Verhältnis bei mindestens 3:1 liegen, also drei gute Gefühle gegenüber einem schlechten.

 

Und beim kognitiven Wohlbefinden?

Ruckriegel: Da geht es um die Gesamtzufriedenheit. Hier wird abgewogen zwischen den Wünschen, Zielen und Erwartungen, die man hat, und der Frage: Bin ich hier auf einem guten Weg? Die Ziele sollten werthaltig und realisierbar sein – sonst ist man ja schon von Haus aus frustriert.

 

Gibt es ein Talent zum Glücklichsein?

Ruckriegel: Man kann Glück trainieren. Es gibt sogenannte Glücksfaktoren: gelingende soziale Beziehungen, psychische und physische Gesundheit, Engagement und eine befriedigende Tätigkeit – egal ob Erwerbsarbeit oder Ehrenamt –, eine gewisse materielle Grundabsicherung, persönliche Freiheit. Und dann spielt auch die innere Haltung eine Rolle, nennen wir sie Lebensphilosophie. Da kann man ansetzen. Wir wissen aus der Psychologie, dass Ziele, die sich mit einem persönlichen Wachstum beschäftigen, z.B. das Erlernen einer Fremdsprache oder die Beschäftigung mit anderen Menschen, besonders geeignet sind, unsere psychischen Grundbedürfnisse nach Autonomie, Zugehörigkeit und Kompetenz zu befriedigen. Hohl sind dagegen Ziele wie Einkommen, Prestige und Schönheit.

 

Wie kann ich Glück lernen?

Ruckriegel: Führen Sie ein Dankbarkeitstagebuch! Dann nimmt man die positiven Dinge viel stärker war. Trainieren Sie Ihren Optimismus, vermeiden Sie soziale Vergleiche und Grübeleien, seien Sie hilfsbereit, intensivieren Sie Ihre sozialen Kontakte! Und vor allem: Leben Sie im Hier und Jetzt!

 

Warum beschäftigt sich eigentlich ein Ökonom mit Glücksforschung?

Ruckriegel: Grundsätzlich ist die Glücksforschung interdisziplinär: Beiträge kommen dazu aus der Psychologie, der Soziologie, der Neurobiologie, und eben der Ökonomie. Und hier nimmt die Glücksforschung sogar einen wichtigen Stellenwert ein. Die Grundsätze des Wirtschaftens drehen sich um die Frage, wie mit knappen Ressourcen umgegangen wird. Es gibt einen Input und einen Output. In Bezug auf unsere Glücksforschung: Alle Menschen haben eine gegebene Zeit, 24 Stunden am Tag, das ist der Input. Die Frage ist: Wie kann ich die gegebene Zeit so verwenden, dass ich im höchsten Maße zufrieden oder glücklich bin? Das ist der Output – oder in ökonomischen Kategorien ausgedrückt der Nutzen.

 

Kann man Glück messen?

Ruckriegel: Glück empfindet man natürlich sehr subjektiv. Aber es gibt Studien, die bestimmte Parameter abfragen, die also etwa nach den positiven und negativen Gefühlen in den letzten 24 Stunden bzw. nach der Zufriedenheit der Menschen im Großen und Ganzen auf einer Skala von 0 bis 10 fragen. Da gibt es das Sozio-oekonomische Panel, den Better-Life-Index der OECD, der Mitte November auch in deutscher Sprache zur Verfügung steht, oder den UN-World Happiness Report? 2013, der das Glück in den Ländern der Welt misst.

 

Wo befindet sich da Deutschland?

Ruckriegel: Auf einer Skala von 0 bis 10 stehen wir bei 7. Das ist nicht schlecht, aber es gibt schon noch Potenzial nach oben. An der Spitze, nicht nur in Europa, sondern weltweit, steht Dänemark – eigentlich die gesamten skandinavischen Länder.

 

Was machen die besser als wir?

Ruckriegel: Einerseits ist dort das Vertrauen zueinander in der Gesellschaft stärker ausgeprägt. Die Einkommen sind weniger ungleich, die Chancengerechtigkeit ist deutlich besser. Es gibt eine durchlässigere Gesellschaft. Interessant ist: In den Ländern ist das Du Standard. Dahinter steht die Idee, dass man nicht so stark Unterschiede hierarchischer Art im Blick hat, sondern es mehr darum geht, dass alle Teil einer Gesellschaft sind – und damit gleich viel wert.

 

Sind Frauen glücklicher als Männer?

Ruckriegel: Wenn man das Sozio-oekonomische Panel befragt, kommt man auf folgendes Ergebnis für Deutschland: Zwischen 20 und 65 Jahren liegen die Frauen immer leicht über den Männern – 0,1 bis 0,2 Punkte. In der Rushhour des Lebens – also die Lebensphase vom Abschluss der Berufsausbildung bis zur Lebensmitte und zur Familiengründung – geht die Lebenszufriedenheit insgesamt zurück. Aber die Frauen sind immer noch ein bisschen glücklicher. Ab Mitte 50 geht es wieder nach oben, beide Geschlechter nähern sich wieder den alten Werten aus jungen Jahren an. Aber: Ab 65 Jahren fällt die Lebenszufriedenheit der Frauen stark ab.

 

Gibt es dafür eine Erklärung?

Ruckriegel: Bei Paarbeziehungen sind die Männer meist älter als die Frauen – und sterben auch eher. Weil sie sich weniger gesundheitsbewusst verhalten. Die Frauen bleiben zurück – und sind einsam.

 

Kinder lachen bis zu 20-mal mehr als Erwachsene. Sind Kinder glücklicher als Erwachsene?

Ruckriegel: Vor Kurzem hat Unicef eine weltweite Untersuchung vorgelegt: Bei der Frage nach den objektiven Lebensumständen erreichte Deutschland Platz 6 – von 27 Ländern. Dann hat man die Kinder konkret gefragt: Wie zufrieden seid Ihr mit Euerm Leben? Und plötzlich lag Deutschland auf Platz 23. Also ein Riesenunterschied. Man kann sagen: 80 Prozent der Kinder sind sehr zufrieden. Aber schon ein Fünftel der Zehn- bis 12-Jährigen weiß, dass es chancenmäßig von Haus aus schlechte Karten hat. Das hängt mit dem Bildungssystem zusammen, das bei uns recht klassenspezifisch ist, das heißt Kinder aus bildungsferneren Schichten sind faktisch deutlich benachteiligt.

 

Das Stadttheater Ingolstadt hat als Spielzeitmotto Glück gewählt. Macht Kunst glücklich?

Ruckriegel: Kunst gibt immer Anregungen, weckt Neugierde, führt zum Nachdenken, löst Emotionen aus. Kunst kann neue Horizonte öffnen.

 

Es heißt immer, Schokolade macht glücklich.

Ruckriegel: Aber leider auch dick. Insofern ist das ein kurzes Glück.

 

In der amerikanischen Verfassung gibt es ein Recht auf Glück, im Königreich Bhutan das „Bruttosozialglück“ als Staatsziel – wären das Modelle für unser Grundgesetz?

Ruckriegel: Ich bin ein Verfechter der Idee, dass wir ins Grundgesetz das Staatsziel Lebenszufriedenheit bzw. Lebensqualität aufnehmen sollten. Wir haben schließlich schon Staatsziele wie Umweltschutz und Naturschutz – und da würde es gut passen. Ein Staatsziel ist ein programmatischer Satz, kein subjektiv einklagbares Recht, das heißt, die staatlichen Organe werden verpflichtet, ihr Augenmerk darauf zu richten. Wenn Sie mal in der Bibel nachschlagen, finden Sie dieselben Ratschläge für ein gelingendes Leben, die Sie auch in der Glücksforschung finden. Deshalb beschäftigt sich auch die Theologie mittlerweile mit den Erkenntnissen der Glücksforschung. Das Thema bewegt die Menschen. Die ARD widmet dem Glück im November sogar eine ganze Themenwoche.

 

Ihr Rezept für einen glücklichen Tag?

Ruckriegel: Erst mal muss man sich überlegen, was Glück ausmacht, sonst gerät man immer wieder in die alten und vielleicht falschen Verhaltensmuster. Sie sollten sich realistische Ziele setzen. Sie müssen aber auch etwas haben, worauf Sie sich im Alltag unmittelbar freuen können – auch wenn es nur Kleinigkeiten sind, beispielsweise der Cappuccino in der Sonne. Und: Sie müssen sich überlegen, ob negative Gefühle überhaupt einen Sinn machen. Vielleicht fangen Sie einfach mal damit an, sich im Straßenverkehr nicht mehr aufzuregen, denn das hilft im Grunde nichts. Wir wissen heute: Glückliche Menschen sind gesünder und leben länger.

 

Die Spielzeit beginnt heute mit einem Spaziergang durch die „Geheimen Gärten“ Ingolstadts. Treffpunkt ist um 20.30 Uhr am Parkplatz beim Hallenbad. Karten gibt es unter Telefon (08 41) 30 54 72 00.