Ingolstadt
Tanz der Emojis

Das gelungene Ingolstädter Bewegungstheater "Hotspot" mit 80 Jugendlichen thematisiert Mobbing und Cyberlife

13.07.2017 | Stand 02.12.2020, 17:47 Uhr

Wettlauf des Lebens: Szene aus "Hotspot" im Ingolstädter Festsaal. - Foto: Bernecker

Ingolstadt (DK) Der Anspruch könnte kaum höher sein. Beim Ingolstädter Bewegungstheater geht es um soziales Engagement und um künstlerische Ambitionen. Schüler mit Migrationshintergrund und aus eher problematischen Verhältnissen müssen ebenso integriert werden wie Gymnasiasten und Jugendliche aus insgesamt fünf verschiedenen Partnerstädten Ingolstadts, von Györ bis Kragujevac.

Und: Die Probenzeiten für das Tanzprojekt sind sehr knapp bemessen.

Umso erstaunlicher das Resultat, der Theaterabend "Hotspot", der nun im Ingolstädter Festsaal über die Bühne ging und morgen auch in Murska Sobota gezeigt werden soll.

Diesmal hatten die Organisatoren des Projekts, die Stiftung Jugend fragt, ihren Bildungsehrgeiz ein wenig heruntergefahren. Während in den vergangenen Jahren immer wieder große Stoffe der Weltliteratur, von Elektra bis zu Shakespeares "Sommernachtstraum", aufgegriffen und verarbeitet wurden, standen nun allein die Themen im Mittelpunkt, die Jugendliche heute besonders umtreiben: Mobbing, Leistungsdruck, die neuen sozialen Medien. Die Schüler spielen quasi ihr eigenes Leben.

Herausgekommen ist ein assoziativ verknüpfter Szenenreigen, der einen eher deprimierenden Teil unserer sozialen Wirklichkeit abbildet. Immer wieder werden Individuen, Einzelgänger mit Gruppen konfrontiert. Mädchen mit Regenschirmen in der Hand hänseln und schneiden ein Mädchen. Ein anderes Mädchen wirkt frustriert und verängstigt, zieht sich immer mehr zurück, während sich die Gruppe um sie herum munter bewegt. In einer besonders fesselnden Szene pöbeln und verspotten zahlreiche Schüler ein Mädchen, verteilen den Inhalt ihrer Schultasche auf dem Boden, lachen und demütigen sie. Bis das Mädchen plötzlich zu seinem Smartphone greift. Die Gruppe blickt neugierig, dann wie besessen auf das mobile Telefon. Wie hypnotisiert folgen sie nun den Bewegungen des Handys, als wären sie die Tiere in Mozarts "Zauberflöte", die von den Klängen des magischen Instruments gelenkt werden.

So gelingen den Jugendlichen im Alter zwischen 12 und 20 Jahren immer wieder berührende Bilder. Regisseur Georg Sosani und die Choreografin Thea Sosani zeigen die Jugendlichen ausgelassen beim Tanzen, verbissen trainierend in der Muckibude, beim Flirten und beim Sport, dazu erklingt eine mitreißende, meist sehr perkussive Musik. Die Jugendlichen tanzen und spielen dabei mit hinreißender Präzision, genau abgestimmt auf den Rhythmus der Musik. Erschütternd ein Wettlauf in Zeitlupe, bei dem sich die beiden Sportler gegenseitig foulen, treten und beißen, bis der größere Schläger gewinnt und gefeiert wird.

Es ist nicht leicht in dieser Welt der Jugendlichen, gegen den Gruppenzwang, gegen den Erfolgsdruck anzukommen. Es ist schwer, als Individuum zu bestehen, sich zu behaupten. Am Ende stehen alle Jugendlichen mit Masken auf der Bühne. Über ihren Gesichtern tragen sie Emojis: Menschen, die lachen, weinen, grinsen, zwinkern, deprimiert oder optimistisch, nachdenklich und erleichtert. Alles genormte Stimmungsträger, modisch, peppig und entindividualisiert.