Ingolstadt
"Unsere Ehe wird das aushalten"

Der Dirigent Kent Nagano über den gemeinsamen Auftritt mit seiner Frau Mari Kodama in Ingolstadt

20.07.2016 | Stand 02.12.2020, 19:31 Uhr

Dirigent bei Audi: Kent Nagano wird möglicherweise sein Engagement in Ingolstadt fortsetzen. - Foto: Broede

Ingolstadt (DK) Es geschieht nicht alle Tage, dass Kent Nagano gemeinsam mit seiner Ehefrau auf dem Podium steht. Jetzt ist es so weit: Mit der Pianistin Mari Kodama (kleines Foto) gestaltet er am 22. Juli in Ingolstadt das Klavierkonzert Nr. 4 op. 58 von Beethoven. Die Aufführung steigt als "Klassik Open Air" im Rahmen der Audi-Sommerkonzerte. Nagano dirigiert das Orchester der KlangVerwaltung.

Herr Nagano, kann es emotional riskant sein, gemeinsam mit der Ehefrau zu konzertieren? Drohen Streit und Zoff?

Kent Nagano: Das nicht, aber wir sind unsere bösesten und genauesten Kritiker - gerade weil wir uns lieben. Vor unserer Heirat haben wir oft als Künstler gemeinsam musiziert. Wir haben es einfach geliebt, gemeinsam Musik zu machen. Nach der Heirat haben wir davon Abstand genommen.

 

Warum?

Nagano: Weil das merkwürdig wirken kann, wenn Eheleute gemeinsam konzertieren. Deswegen ist das Konzert in Ingolstadt ein Sonderfall, weil wir das normalerweise nur zu Benefiz-Anlässen machen. Das jetzige Konzert mit der KlangVerwaltung ist im Dialog mit den Audi-Sommerkonzerten entstanden. Unsere Ehe wird das aushalten (lacht).

 

Wie haben Sie sich kennengelernt?

Nagano: Das war ziemlich einfach. Meine Frau hatte beim London Philharmonic debütiert. Das Ergebnis war so gut, dass das Orchester eine Aufnahme mit ihr einspielen wollte - finanziert vom Orchester. Es wurde ihr eine Liste ausgehändigt mit aufstrebenden Dirigenten. Acht oder neun Namen standen auf der Liste. Das war am Ende ihrer Ausbildung am Pariser Konservatorium. Zu diesem Zeitpunkt hat Mari Kodama in London und Paris gelebt. Alle Dirigenten auf der Liste hat sie zwischen London und Paris erlebt, und sie sagte: "Ich möchte Nagano haben."


Was hat sie letztlich überzeugt?

Nagano: Sie mochte einfach meine Art, wie ich Musik mache. Das hatte nichts mit unseren gemeinsamen asiatischen Wurzeln zu tun. Ich bin ja im Grunde kein Asiat, sondern viel schlimmer: ein Kalifornier (lacht). Leider musste die Aufnahme dann oft verschoben werden, weil entweder ich nicht frei war oder sie oder das Orchester. Zwischenzeit haben wir häufig konzertiert und auch einige CDs zusammen aufgenommen.

 

Wie ging es danach zwischen Ihnen weiter?

Nagano: Manchmal können Menschen sehr langsam sein. Ich habe sie vier Jahre lang begleitet. Und endlich habe ich festgestellt: "Oh, sie spielt nicht nur sehr gut Klavier, sondern ist auch eine spannende Person." Nach vier Jahren hatte ich endlich den Mut, sie zum Abendessen einzuladen. Das ist wirklich eine sehr lange Zeit (lacht).

 

Aber was lange währt, wird gut, oder?

Nagano: Jedenfalls sind wir sehr glücklich. Wir feiern dieses Jahr unsere Silberhochzeit. Es war richtig und wichtig für uns, dass wir vier Jahre einfach Musik gemacht haben. Man lernt eine Person sehr gut kennen durch die Art, wie sie Musik macht. Das ist vielleicht auch ein Teil der Botschaft für das Audi-Vorsprung-Festival.

 

Wie meinen Sie das?

Nagano: Durch das gemeinsame Musizieren oder Musikerlebnis lernt man sehr viel. Wenn das Bürgertum zusammenkommt und etwas gemeinsam teilt, kommt man sich durch diesen Prozess stets näher. Man muss nicht immer einer Meinung sein, aber das ist wichtig. Und diese Idee bestimmt auch dieses Festival.

 

Allerdings ist dies Ihr vorerst letztes Vorsprung-Festival. Wie geht es weiter?

Nagano: Von Anfang an war dieses Projekt auf drei Jahre anvisiert. Als jetzt der Diesel-Skandal in den USA hochkochte, dachte ich, dass die Zusammenarbeit wohl enden würde. Aber vor wenigen Wochen ist Audi auf mich zugekommen. Sie haben mich eingeladen, Ideen zu entwickeln und zu unterbreiten. Wir diskutieren gerade. Es ist ein positives Fragezeichen für die Zukunft.

 

Was gerade auch für den Audi-Jugendchor gilt?

Nagano: Absolut! Es ist ein ganz wunderbares Ensemble. Ich bin tief beeindruckt, wie sich der Chor entwickelt hat. Unlängst haben Sie mit mir in Hamburg die "Matthäus-Passion" von Bach gemacht. In Kürze werden sie mit mir einen Teil des Eröffnungskonzerts der Hamburger Elbphilharmonie bestreiten. Das macht mich sehr glücklich!

 

Das Interview führte

Marco Frei.

 

Das Open-Air-Konzert findet morgen, 20.30 Uhr, im Klenzepark statt. Auf dem Programm stehen u.a. Beethovens 4. Klavierkonzert und dessen 5. Sinfonie. Der Eintritt ist frei.