Ingolstadt
Schattenspiel

30.07.2015 | Stand 02.12.2020, 20:58 Uhr

Jianbin Qiu präsentierte seine Werke - Foto: Ebeling

Ingolstadt (DK) Am Anfang war der Tuschefleck. Groß und mächtig auf weißem Papier. Dann kam der Pinsel und ließ aus der schwarzen Masse dynamische Linien und voluminöse Formen entstehen.

Erst auf Distanz lassen sich bergige Landschaften und dichte Wälder erkennen. Dahinter steckt eine große Lebensphilosophie. „Die Bilder haben eine Botschaft, es geht nicht nur um Natur“, erzählt der Künstler Jianbin Qiu. Er ist aus Foshan, der chinesischen Partnerstadt von Ingolstadt. Seine Malerei- und Kalligrafiearbeiten zeigt er derzeit in der Städtischen Galerie im Theater. Gleich am Eingang der Ausstellung prangt ein großes Plakat mit chinesischen Schriftzeichen: „Wenn man sich moralisch verhält, bekommt man auch was zurück“, heißt es dort von rechts nach links. In der chinesischen Kalligrafie geht es oft um mehr als nur um Schönschreiberei. Es geht um Ethik und Moral, um Gefühle und um den Blick nach vorne. Jianbin Qiu steht vor einem seiner Bilder. Es zeigt eine detailliert ausgearbeitete Parkanlage. Am Horizont wachsen riesige Hochhäuser in den Himmel, umgeben von Baukränen. „Turbokapitalismus“, denkt der europäische Besucher zynisch. „Es geht immer vorwärts“, will der Künstler damit sagen. „Politisches Sprachrohr“, fragt der Europäer. „Es geht um eine lebensbejahende Haltung“, heißt die Antwort. Sie ist die Essenz der chinesischen Kunst, zumindest bei Jianbin Qiu.

Dabei können Künstler, die mit Tusche malen, nur mit der dunklen Seite der Kunst arbeiten: dem Schatten. Es geht um die Beherrschung der Grautöne und um das Malen von Umrissen. Weiße Flächen bietet nur das leere Papier, wie das Wasser und der Himmel, die durch die Hochhäuser getrennt werden. Mit den Schriftzeichen am Rand schließt sich der Kreis im Bild – Bewegung entsteht, alles ist im Fluss. Aus dem Schwarz wird ein Bunt, aus dem Stillstand ein „immer vorwärts.“ Und aus dem Tuschefleck eine emotionale Momentaufnahme.

Seit 2010 bietet das Ingolstädter Kulturamt Künstlern aus den Partnerstädten die Möglichkeit, während der Sommermonate einen künstlerischen Aufenthalt in Ingolstadt zu verbringen. Unterkunft und Atelier stellt der Ingolstädter Bernd Arndt kostenfrei zur Verfügung. Erstmals nimmt nun ein Künstler aus Foshan die Einladung nach Ingolstadt an – Jianbin Qiu versteht sich als Vertreter aller Künstler aus Foshan. Mit entschlossener Stimme und einer tiefen Verbeugung entlässt er die Besucher in die Ausstellung.

Städtische Galerie im Theater, Schloßlände 1, Ingolstadt, „Jianbin Qiu – Künstler aus Foshan/China“, bis 23. August, Dienstag bis Sonntag 11 bis 18 Uhr, der Eintritt ist frei.