Ingolstadt
Packende Dynamik

Sandro Roy und das Uptown Jazz Orchestra im Ingolstädter Audi-Forum

23.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:46 Uhr

Ingolstadt (DK) Nur vier Saiten auf seiner Geige und 23 Jahre Lebenserfahrung hat Sandro Roy zur Verfügung, um sich auf den Weg zu den Gipfeln des Jazz zu machen. Recht wenig, möchte man meinen, für ein Ziel, an dem sich schon viele Berühmtheiten aus etlichen Epochen und Genres drängeln.

Um hier auch schon in jungen Jahren aus der Vielzahl der aktuellen Musiker hervorzustechen, braucht es schon ein gehöriges Maß an Charisma und vor allem Virtuosität. Sandro Roy hat beides, und er bündelt es mit seiner Geige in einem Instrument, das nur wenige mit Jazz in Verbindung bringen.

Der Spross einer Sinti-Familie spielt damit auch in der Welt der Klassik, in der er schon mit 13 Jahren Bundespreisträger beim Wettbewerb "Jugend musiziert" wurde. Auf der Bühne des Museum Mobile tritt er am Donnerstag den Beweis an, dass die Kunstfertigkeit aus der Klassik auch die Kreativität und den Freigeist des Jazz beflügelt.

Um ihn herum ist die geballte Power des Uptown Jazz Orchestras mit einer starken Blechfraktion versammelt. Die 15 Musiker unter Leitung von Franz Weyerer führen das Publikum erst mal in ihr ureigenstes Klangbild ein. Es ist Big-Band-Sound, so großzügig, ausgewogen und einladend wie der Spaziergang durch einen Schlosspark im Vergleich zu einem Schrebergartennachmittag. Die starke Saxofonriege mit den Blechbläsern im Hintergrund vermittelt weite Räume, in die Höhe sprießende Klanggewächse und nuancenreiche Zwischentöne. Pianist Tizian Jost bekommt bei all dem Blechüberhang dennoch den Freiraum, all dem seine Kunstfertigkeit an den Tasten mit bisweilen artistischer Fingerfertigkeit gegenüberzustellen.

Der junge Geiger steht an diesem Abend zum ersten Mal gemeinsam mit dem Uptown Jazz Orchestra vor Publikum. Doch die Feinabstimmung zwischen Sandro Roy und der Band klappt bestens. Es scheint, als beflügeln sich die Big Band und der junge Solist gegenseitig. Zudem hat Sandro Roy den Groove, den untrüglichen Instinkt für packende Dynamik und versprüht dazu die mitreißende Euphorie in der Interpretation der Arrangements. Er hebt sich mit seiner Geige klanglich ab und weiß bunte Bilder aus einem Schmelztopf von Sinti-Klängen, Bebop, Bossa Nova und manchem mehr zu kreieren, die in dieser Weise den Saxofonen, Trompeten und selbst dem Piano verschlossen bleiben. "Bei der musikalischen Verteilung hat der liebe Gott da zweimal hingeschaut", attestiert ihm Bandleader Weyerer im Nachklang zu einer der vielen Applauswellen aus dem Publikum.

Doch auch seine Big Band fesselt mit überraschenden Klängen. In ihrer Interpretation des Stücks "Villa Radieuse" von Francy Boland über ein aufseherregendes Architekturprojekt in Frankreich der 1960er-Jahre geht die Band bis zur Vereinzelung von Tönen aus Saxofon oder Klarinette. Sie streift dabei fast schon atonale Philosophien und schwenkt doch wieder ein zu gepflegtem Big-Band-Sound. Das fachkundige Publikum honoriert diesen Streifzug mit besonderem Applaus.

Der faszinierenden Fülle von neuen Eindrücken und Musikerlebnissen setzen Sandro Roy und Franz Weyerer in der Zugabe noch ein Sahnehäubchen auf. Sie agieren vor der Klangkulisse der Band im Duett, spielen sich mit Geige und Trompete die Bälle zu und brillieren auf Augenhöhe. Grinsend und zufrieden geben sie sich noch auf der Bühne ein klatschendes High five.