Ingolstadt
Oper für die Kirche

Eine Entdeckung: Franz Hauks Uraufführung von Gaetano Donizettis "Psalmi vespertini" in Ingolstadt

05.06.2017 | Stand 02.12.2020, 18:00 Uhr

Wuchtige Ausbrüche, zarte Melodien: Dirigent Franz Hauk führt Gaetano Donizettis "Psalmi vespertini" in der Ingolstädter Asamkirche auf. - Foto: Schaffer

Ingolstadt (DK) Musik, bei der man sich verwundert die Augen reibt: Der Anfang von Gaetano Donizettis "Psalmi vespertini" klingt wie die Ouvertüre einer frühromantischen italienischen Oper. Aber es wurde das falsche Instrument ausgewählt.

Anstelle eines Orchesters ertönt eine Orgel - von Franz Hauk in der Ingolstädter Asamkirche mit einigen Klingeleffekten munter registriert.

Aber ist das bereits der einzige wichtige Unterschied zwischen Opern- und Kirchenmusik? Es macht fast den Eindruck. Fünf Sätze hat Hauk, der musikalische Leiter dieser als Uraufführung bezeichneten Pfingstmontag-Matinee, zusammengefügt zu einer Vesperkomposition, die in dieser Form sicherlich noch nie erklungen ist. Kirchenmusikalische Musik (von der Vielschreiber Donizetti etliche Stücke hinterlassen hat), die verblüffend opernhaft daherkommt.

Das "Offertorio" für Orgel beginnt mit noch ziemlich gewichtigen und ernsten Einleitungsakkorden, um dann sofort überzuleiten zu volkstümlicher italienischer Melodik, die man am liebsten sofort mitpfeifen würde. Und so geht es auch in den folgenden Sätzen weiter. Alles wirkt theatralisch, nur auf die Rezitative wurde verzichtet. Es fehlt sonst an nichts: Verspielte Melodien, begleitet von einer solistischen Klarinette beim "Tecum principius", wuchtige und düster-dramatische Ausbrüche in Moll im "Dominus a dextris", der Satz "De torrente", der fast wie ein Liebesduett klingt. Und am Ende ein wirklich triumphales, kraftvoll dröhnendes "Magnificat" mit Solisten und Chor. Um den Satz noch effektvoller zu gestalten, beschleunigt Hauk hier das Tempo wie in einer Stretta und lässt alles in einem grandiosen Finale gipfeln.

Hauk gelingt es, das unbekannte Werk mit großer Eindringlichkeit zu präsentieren. Dabei hatte er (wie fast immer bei seinen Produktionen) viel Geschick, wirklich hervorragende Sänger zu engagieren - durchweg opernerfahren, mit großer und dennoch beweglicher Stimme. Andrea Lauren Brown vermag ihren Sopran besonders in der Höhe dramatisch leuchten zu lassen. Markus Schäfer hat einen nicht ganz so schlagkräftigen Mozart-Tenor, der manchmal leider in der Wucht der Bläsereinsätze zugedeckt wird. Und Daniel Ochoas Bassbariton ist männlich, leidenschaftlich und technisch perfekt. Zupackend, ungeheuer homogen und voluminös agiert auch der kleine Simon-Mayr-Chor.

Hauk dirigiert die fünf Sätze übersichtlich, allerdings könnte das Orchester Concerto de Bassus mit der Konzertmeisterin Theona Gubba-Chkeidze manchmal noch mehr Detailarbeit vertragen, könnte hin und wieder noch inspirierter und fantasievoller spielen. Dennoch: Eine interessante Ausgrabung, äußerst präzise musiziert. Ein Stück mit musikgeschichtlicher Bedeutung, bei dem der Einfluss von Donizettis Lehrer Simon Mayr in fast jedem Satz spürbar ist und das man gerne noch einmal hören würde. Oder das zumindest etwas länger als 40 Minuten hätte dauern können. Das Publikum jedenfalls applaudierte begeistert und wollte sich lange Zeit danach kaum von den Sitzen erheben. Als könnte es gar nicht glauben, dass Donizettis wunderbare Musik so schnell bereits verklungen ist.