Ingolstadt
Nur noch wenige Verlage leisten sich Illustrationen

Der Vorsitzende der Pirckheimer-Gesellschaft, Wolfgang Kaiser, sieht die Buchkunst in Gefahr

05.09.2012 | Stand 03.12.2020, 1:06 Uhr

 

Ingolstadt (DK) Sie lesen viel, vor allem schätzen sie schön und künstlerisch gestaltete Bücher, Druckgrafiken oder sammeln diese: Bibliophile, Bücherfreunde, gibt es auch noch in Zeiten von Taschenbüchern und E-Books. Morgen kommt die Pirckheimer-Gesellschaft, eine der drei bibliophilen Vereinigungen in Deutschland, zum Jahrestreffen nach Ingolstadt.

Ihr Vorsitzender, Wolfgang Kaiser, erklärt im Interview mit unserer Redakteurin Barbara Fröhlich die Welt der Bibliophilen.

Warum trifft sich die Pirckheimer-Gesellschaft in Ingolstadt?

Wolfgang Kaiser: Wir tagen jedes Jahr in einer anderen Stadt. Einmal in den neuen Bundesländern, das nächste Mal in den alten Bundesländern. Das hat mit der Geschichte der Pirckheimer-Gesellschaft zu tun, die 1956 in Berlin-Ost gegründet wurde. Wir sind zum ersten Mal in Ingolstadt – auf Anregung eines unserer 500 Mitglieder, der Bücherfreund wohnt in Reichertshofen.

Wer ist bei Ihnen Mitglied, sind das nur Fachleute?

Kaiser: Da bis 1990 nur DDR-Bürger Mitglieder werden konnten, haben wir aus dieser Tradition heraus vor allem ältere Bücherfreunde aus den neuen Bundesländern, die Freude am Lesen und an schön gestalteten Büchern haben. Wir haben weniger Sammler als die beiden anderen Gesellschaften, die Bibliophile Gesellschaft und die Maximiliansgesellschaft. Wobei wir in unserer Zeitschrift „Marginalien“ auch Themen rund ums Sammeln aufgreifen. Übrigens ist unsere Zeitschrift die einzige für Bibliophilie. Und unsere Mitglieder kommen aus allen Berufen.

Wurde in der DDR so viel Wert auf schön gestaltete Bücher gelegt?

Kaiser: Aber ja! Es war üblich, dass sich Künstler mit Grafiken und Buchgestaltung ihren Lebensunterhalt verdienten. Die Illustration hat in der Belletristik eine große Rolle gespielt. Auch das Gestalten von Grußkarten zu Neujahr war Tradition. Wer es sich leisten konnte, ließ Karten drucken. In dieser Tradition lassen wir zur Jahrestagung die Menü-Karte unseres Festessens jedes Mal von einem Künstler gestalten, mit einem Motiv, das die Tagungsstadt zeigt.

Wie sieht die Zukunft der Buchkunst aus?

Kaiser: Realistisch gesehen muss ich pessimistisch sagen: schlecht. Es gibt nur noch sehr wenige Verlage, die Wert auf die Gestaltung von Büchern legen und auf die Illustration von literarischen Texten. Illustration ist ein Kostenfaktor, der von den Betriebswirten in den Verlagen ausgemerzt wird. Es gibt nur noch einen elitären Kreis, meist sehr kleine Verlage, die in kleiner Auflage Bücher mit Grafikdrucken herausbringen. Nur in Kinderbüchern gibt es noch sehr schöne Illustrationen. Und was das Sammeln anbelangt, das ist eher etwas für Ältere. Studenten und Schülern fehlt das Geld oder der Platz für die Bücher. Ich habe auch viele meiner fast 10 000 Bücher in Bananenkisten im Keller. Wobei mich selbst gerade die Geldnot zur Bibliophilie gebracht hat. Als Student habe ich für mein Germanistikstudium von Hans Fallada „Kleiner Mann, was nun“ gebraucht. Bei einem Trödler in der Kiste habe ich den Band gefunden und billiger bekommen. Später habe ich festgestellt, dass ich eine Ausgabe der Erstauflage hatte mit einer sehr schönen Illustration, die es in den späteren Auflagen so nicht mehr gab.

Das Programm Ihrer Tagungen ist meist sehr attraktiv ...

Kaiser: Ja, bei den Tagungen geht es um Bibliotheken, um Personen rund um Bücher, um Literatur, Buchdruck, Illustration. In Ingolstadt werden wir zum Fleißerhaus gehen, wir erhalten Führungen in Bibliotheken, zum Beispiel des Bayerischen Armeemuseums. In Eichstätt besichtigen wir die Lithografie-Werkstatt. Eichstätt ist übrigens die Geburtsstadt des Namensgebers unserer Gesellschaft, des Humanisten Wilhelm Pirckheimer, der als Nürnberger Patrizier bekannt ist, aber in Eichstätt geboren wurde. Und wir sehen auch besondere Bücher. Im Ingolstädter Archiv zum Beispiel das „Astronomicum Caesareum von Peter Apian, das als eines der schönsten naturwissenschaftlichen Drucke gilt. Davon gibt es insgesamt nur noch 111 Exemplare.

Welchen Vorteil hat man als Mitglied noch?

Kaiser: Für den Jahresbeitrag erhält man viermal im Jahr die „Marginalien. Die Zeitschrift für Buchkunst und Bibliophilie“ und den Jahresband mit einer Druckgrafik. Die Tagungen führen in Bereiche, die man sonst nicht sieht. Außerdem gibt es eine Buch- und Grafikauktion. Hier in Ingolstadt am Freitag, ab 20.30 Uhr, im Donau-Hotel. Dazu können aber auch Nichtmitglieder kommen.