Ingolstadt (DK) Wer Lucia Nemec singen hört, wird sofort in einen südlich gelegenen Urlaubsort entführt. Der Rhythmus und die Leichtigkeit der Melodie lassen auf Spanien schließen oder Portugal, oder doch ganz woanders? Wer ganz genau auf den Text hört, wird dennoch kein Wort verstehen, denn Lucia singt in ihrer Fantasiesprache "Kurunda".
Zu hören war Lucia beim fünften Songslam im Kap 94 in Ingolstadt. Ein Songslam ist nicht zu verwechseln mit den trendigen Poetry-Slams, bei denen Texter zu modernen Dichtern werden. Nein, hier werden selbst komponierte Lieder auf der Bühne präsentiert. Aber die Regeln sind gleich: Jeder bekommt sieben Minuten Zeit, um das Publikum von sich zu überzeugen und am Schluss als Sieger hervorzugehen. Entgegen der Bedeutung des Begriffs "slam" wirkt der Abend im historischen Gemäuer jedoch weniger wie ein erbitterter Wettstreit um die Gunst der Zuhörer. Der mangelnde Konkurrenzkampf liegt vermutlich daran, dass alle Künstler vor der gleichen Aufgabe stehen und sich durch die gemeinsame Leidenschaft auf Anhieb sympathisch sind. Und wie es das Schicksal will, kann im Finale auch kein eindeutiger Sieger ausfindig gemacht werden, aber von vorne.
Neun Interpreten wollten an diesem Abend mit ihren Kompositions- und Performance-Künsten überzeugen. Darunter ein Duo, Künstler aus Ingolstadt, Bayern oder sogar aus dem Ausland sangen deutsche Lieder, bayerische Mundart, englische Songs oder eben in einer selbst ausgedachten Sprache. Wenn so viele begnadete Interpreten auftreten, kommt es auch vor, dass die vorgegebenen sieben Minuten überschritten und mit Nachsicht genehmigt wurden - schließlich handelte es sich bei dem Lied von Tom um eine satirisch anmutende Hommage an Ingolstadt. Und wie es mit der sich stark veränderten Stadt ausgeht, wollte natürlich jeder wissen.
Wer das Publikum nicht mit ausgeklügelten Gitarrenriffs oder jahrelanger Erfahrung begeisterte, konnte dafür mit purer Unterhaltung aufwarten. Mysterias brachte seine Zuhörer mit märchenhaften Motiven zum Lachen, indem er Einhörner oder das Schneewittchen mal von einer anderen Seite zeigte, während der Nürnberger Benni Graf mit seinen Schnulzen à la Tim Bendzko manchmal gar nicht wusste, wohin mit seinen Emotionen. Jede Anstrengung wurde vom Publikum mit lautem Beifall belohnt.
Abwechslung erhielt der Abend durch verschiedene Formationen und Künstler von Übersee. Das Duo "Einzweimann", das als Erstes das Publikum mit einem englischen Song überzeugen wollte, bewies anfangs etwas gehemmt, dann mit zunehmender Sicherheit, wie man Momente in Musik festhalten kann. Sebastian Pfeifer regte mit emotionsgeladenen Melodien - als einziger auf dem Keyboard - zum Nachdenken an. Die Amerikanerin Mama Miriama sang eine Mischung aus Folk und Blues, dabei durften die typischen, großen Liebeslieder nicht fehlen. Und der in Berlin lebende Ire Niall Toner zeigte mit seinen Arrangements, wie weitläufig und rau die irische Landschaft sein kann.
Lucia konnte mit ihrer lockeren, warmen Art die Jury begeistern und kam ins Finale zusammen mit dem Tastentalent Sebastian Pfeifer und Sebastian Kretz. Letzterer hat es in sich: Der Regensburger bringt viel Erfahrung mit, auch wenn dies sein erster Songslam war. Er spielte in verschiedenen Bands wie Beisser, Fuadadeimuada, Fruchtbar Schee und war schon mit Pam Pam Ida auf der Bühne. Schnell hatte er das Publikum mit seinem bayerischen Liebeslied "Isabell" zum Schmelzen, mit seinem peppigen Song "Urlaub" zum Kochen gebracht und es schlussendlich selbst ins Finale geschafft. Da ein jeweils drei Sekunden lang dauernder Applaus für Lucia und Sebastian Kretzer annähernd gleich laut und tosend war, wurden sie beide zu Siegern gekürt. Gefeiert von den zahlreichen Zuhörern. Das Kap 94 platzte aus allen Nähten. Für die Interpreten bietet sich hier ein Sprungbrett, die Möglichkeit, eigene Lieder vorstellen zu können. Und das junge Publikum weiß es zu schätzen, im städtischen Nachtleben eine Alternative präsentiert zu bekommen.
Der nächste Songslam findet am Freitag, 19. Januar, um 20 Uhr im Kap 94 in Ingolstadt statt.
