Ingolstadt
Neue Freiheit des Stadttheaters

Die Ingolstädter Bühne soll eine andere Rechtsform erhalten

10.03.2017 | Stand 02.12.2020, 18:31 Uhr

Über die Verlängerung von Knut Webers Intendantenvertrag wird derzeit verhandelt. - Foto: Hauser

Ingolstadt (jsr) Das Kulturangebot der Stadt Ingolstadt wandelt sich. Nachdem im vergangenen Jahr bereits zahlreiche Projekte und Festivals wie etwa die Jazztage vom Kulturamt in eine Gemeinnützige Veranstaltungs-GmbH überführt wurden, soll nun wahrscheinlich auch das Stadttheater eine neue Rechtsform erhalten. "Es spricht allerdings einiges dafür, dass die Rechtsform der GmbH nicht besonders geeignet ist für das Stadttheater", gibt der Ingolstädter Kulturreferent Gabriel Engert zu verstehen.

Naheliegend sind außer der GmbH noch der Eigenbetrieb und die Anstalt des öffentlichen Rechts. Inzwischen werden bereits die meisten Theater im Umkreis von Ingolstadt nicht mehr als städtisches Amt geführt. Das trifft auf Augsburg genauso zu wie auf Nürnberg, Stuttgart oder Regensburg.

Für Engert liegen die Vorteile des Übergangs in eine neue Rechtsform auf der Hand. Das Theater ist nicht mehr so stark in die Struktur der städtischen Verwaltung integriert. Es ist eigenständiger, kann unabhängiger entscheiden und schneller agieren. "Der Intendant kann derzeit nicht sagen: Ich habe beim künstlerischen Personal 50 000 Euro übrig, das verwende ich jetzt für ein Gastspiel", erläutert der Kulturreferent.

Für Knut Weber, Intendant des Stadttheaters, ist die Entwicklung eher zweischneidig. "Es ist kein Geheimnis, dass die Rechtsformänderung Beunruhigung im Haus auslöst. Dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fürchten, dass sie mittel- oder langfristig ihren Job verlieren." In Zukunft würde es darauf ankommen, hart zu verhandeln. "Es wird dann ein Budget geben für drei, vier oder fünf Jahre", sagt er. Daran müsste man sich halten. Wenn es zu unvorhergesehenen Ausgabensteigerungen käme, etwa im Bereich Technik, könne man nicht damit rechnen, von der Stadt aufgefangen zu werden. "Was passiert, wenn man einen riskanten Spielplan macht und die Zuschauer brechen weg", fragt sich der Intendant. Um sich die Antwort dann gleich selbst zu geben: "Dann überlegt man sich als Künstlerischer Leiter, ob man Jelinek spielt oder doch lieber das Lustspiel ,Pension Schöller'."

Grundsätzlich wird sich am künstlerischen Profil des Stadttheaters jedoch nicht allzu viel ändern. Denn auch bisher schon arbeitet die Bühne (wie alle städtischen und staatlichen Theater in Deutschland) künstlerisch unabhängig. So ist Weber zwar verpflichtet, einmal jährlich dem Stadtrat den Spielplan vorzustellen, es handelt sich dabei allerdings um eine reine Informationsveranstaltung. Denn Anweisungen bekommt er nicht.

Engert und Weber sind sich auch sicher, dass sich an der Tarifbindung des Theaters nichts ändern wird. Auch der vom Stadtrat beschlossene Aufschlag auf den Mindestlohn von derzeit 100 Euro soll bleiben. Anfänger am Stadttheater bekommen so derzeit 1950 Euro statt des Mindestlohns von 1850 Euro. Nach Auskunft von Engert gibt es derzeit rund 20 Mitarbeiter im künstlerischen Bereich des Theaters (von etwa 50 bis 60), die nicht mehr verdienen als rund 2000 Euro.

Die Änderung der Rechtsform des Stadttheaters ist allerdings noch nicht beschlossen. Noch wird über die genaue Ausgestaltung des Übergangs verhandelt, dann muss sie dem Stadtrat zur Entscheidung vorgelegt werden.

In der Schwebe ist derzeit auch noch eine Vertragsverlängerung von Intendant Knut Weber über das Jahr 2019 hinaus. Engert wünscht sich eine weitere Zusammenarbeit mit dem erfolgreichen Intendanten, und auch Weber (Jahrgang 1953) scheint nicht abgeneigt zu sein, weiter am Stadttheater zu wirken. Eine Entscheidung muss bis spätestens zur Sommerpause gefällt werden. "Denn sonst muss die Stelle im Herbst ausgeschrieben werden, um einem Nachfolger rechtzeitig die Chance zu geben, die kommenden Spielzeiten vorzubereiten", sagt Engert.

 

# FreeDeniz


Man muss schon genau hinsehen, denn in Schrift und Größe gibt es keinen Unterschied. Aber die „Flugschrift N°54“ des Stadttheaters Ingolstadt ziert nicht der gewöhnliche Titel, sondern die Schlagzeile „#FreeDeniz“. „Ein Statement für Meinungsfreiheit in einer offenen Gesellschaft“, sagt Intendant Knut Weber. „Es geht darum, zum Denken zu bewegen. Etwas anderes machen wir ja auch nicht im Theater.“ Der Fall des „Welt“-Journalisten Deniz Yücel, der seit Wochen in der Türkei inhaftiert ist (ihm wird vorgeworfen, Propaganda für eine terroristische Vereinigung gemacht zu haben), empört viele. Es gab Demonstrationen, bei der Goldenen Kamera war er Thema wie auch im Bundestag, als Grünen-Abgeordnete in „Free Deniz“-Shirts protestierten. „Theater muss Position beziehen“, sagt Weber. „Nicht unbedingt tagespolitisch. Aber in dem Fall geht es weit über Deniz Yücel hinaus. Es geht auch um die Frage einer offenen Gesellschaft: Wie wollen wir leben? Und das trifft unser Spielzeitmotto im Kern.“