Ingolstadt
"Nein, hier spricht nur der Automat"

Seine Sketche sind Kult: Der Schweizer Kabarettist Emil Steinberger tritt am 30. September mit einem Best-of-Programm in Ingolstadt auf

19.08.2016 | Stand 02.12.2020, 19:24 Uhr

Ingolstadt (DK) Emil ist wieder da. Der legendäre Schweizer Kabarettist, mittlerweile 83 Jahre alt, geht wieder auf Tournee und kommt dabei auch nach Ingolstadt: Am 30. September steht er mit "Emil - Noch einmal!" auf der Bühne des Ingolstädter Festsaals. Dabei mischt er Neues mit seinen bekannten, teilweise über ein Vierteljahrhundert nicht gespielten Klassikern. Im Vorfeld des Auftritts haben wir Emil Steinberger interviewt.

Herr Steinberger, Sie kommen im September nach Ingolstadt im Rahmen Ihrer derzeitigen Tournee. Ist das ein Unterschied, ob man mit 50 Jahren auf Tournee geht oder mit 80? Oder ist das das Gleiche?

Emil Steinberger: Ich würde sagen: Es ist eine Mischung. Zum einen kennt man viele Situationen ja schon sehr gut, wenn man schon so lange auf der Bühne steht wie ich. Zum anderen ist es manchmal ein Gefühl, als ob alles ganz neu wäre. Weil ich realisiere, dass viele Leute im Publikum sitzen, die die alten Nummern überhaupt nicht kennen, zumindest nicht live.

 

War das der Grund, warum Sie nach langer Pause nun wieder die alten Nummern auf der Bühne spielen?

Steinberger: Nein, bei meinem Entschluss, die alten Sachen wieder aufzunehmen, war eher das Gegenteil der Grund: Es gab zu meinem 80. Geburtstag vor drei Jahren eine Spezial-Aufführung in Luzern. Da habe ich ein paar alte Sketche wieder gespielt. Und was soll ich sagen? Es gab ein Echo auf diese Nummern, das war phänomenal: Die Leute haben Wort für Wort mitgesprochen, waren völlig begeistert. Da bin ich auf die Idee gekommen, ein Programm zu machen mit zum Teil alten Nummern, zum Teil neuen Sachen.

 

Wenn ich jetzt an Ihre alten Nummern denke, zum Beispiel an das "Telegrafenamt": Da können sich viele heutzutage die Situation gar nicht mehr vorstellen, weil es Telegramme und Telegrafenämter gar nicht mehr gibt.

Steinberger: Ja, das stimmt. Deshalb erkläre ich auch diese Nummer im Vorfeld. Ich spreche über die ganzen Apps, die man sich heute herunterladen kann, und leite dann über zum Telegrafenamt und erzähle, wie das vor 30, 40 Jahren war, wo man sich am Telegrafenamt anstellen musste, dann ein Formular ausfüllen und viel bezahlen musste, wenn man schnell eine Nachricht an einen weit entfernten Empfänger übermitteln wollte. Aus heutiger Sicht eine verrückte Zeit!

 

Aber auch spannend zu sehen, wie sich alles weiterentwickelt hat.

Steinberger: Ja, unglaublich. Ich bin Jahrgang '33, was ich da alles in meinem Leben an technischem Fortschritt erlebt habe, ist beinahe unglaublich. Für die, die vor 20 oder 30 Jahren geboren wurden, ist die ganze Technik, die uns umgibt, völlig natürlich. Aber die älteren merken, wie immens schnell die Entwicklung vorangeschritten ist.

 

Sind Sie selbst technik-affin?

Steinberger: Nein, nicht besonders. Aber ich komme schon zurecht, ich habe keine zwei linken Hände. Wenn ich ein Bild aufhängen muss, geht das auch meist ganz gut. Aber ich bin schon froh, dass ich meine Frau habe, die sich mit Computern und technischem Gerät sehr gut auskennt.

 

Wenn Sie nun auf Ihr Programm schauen, in dem Sie Altes und Neues verbinden: Gibt es da eine Unterscheidungslinie zwischen alten und neuen Sachen? Hat sich grundlegend bei Ihren Sketchen etwas geändert?

Steinberger: Nein. Nach wie vor nehme ich Themen auf, die nach meinen Gesichtspunkten aktuell sind, und bringe sie dann auf die Bühne. Ob schließlich daraus eine eigene Nummer wird oder ob das Thema in einer Überleitung stattfindet, stellt sich dann meist erst nach einiger Zeit heraus. An meinem Programm hat sich grundlegend nichts geändert. Ich bin jetzt nicht plötzlich ein politischer Kabarettist geworden, das würde auch nicht zu mir passen. Es war und ist das Zwischenmenschliche, das ich thematisiere und das bei den Leuten offensichtlich immer noch gut ankommt.

 

Was bei Ihren Nummern fasziniert, ist nicht nur der Inhalt, sondern auch die Form. Die Formulierungen, der Sprachrhythmus, das trägt schon alles auch sehr lyrische Züge.

Steinberger: Die alten Nummern bringe ich genau so, wie sie damals waren. Da ändere ich keine Silbe ab. Der Tonfall, die Stimme, sogar die Handbewegungen sind beinahe identisch wie vor 30 Jahren. Das hat mich selbst verblüfft, als ich mir eine neue und eine alte Aufzeichnung zum Vergleich angesehen habe. Die Stücke sind Klassiker, da darf man nichts daran ändern.

 

Dennoch gab es eine Zeit, in der Sie diese Stücke nicht mehr gespielt haben. Warum brauchten Sie damals Abstand davon?

Steinberger: Die Zeit von meinen 20er bis zu meinen 60er Jahren war sehr intensiv. Das weiß man in Deutschland nicht so, aber ich habe ja nicht nur Kabarett gemacht. Ich habe ein Kino gebaut, ich habe ein Theater eröffnet und zehn Jahre dessen Programm gestaltet, ich habe Zirkus gemacht, habe Filme gedreht, habe über hundert Werbespots geschrieben. So war ich 1987 einfach müde. Ich konnte nicht mehr kreativ sein. Außerdem wurde es mir in der Schweiz immer enger, überall war ich bekannt, beinahe schon jeder Satz von mir wurde veröffentlicht. Ich musste mal auf mich schauen, und ich musste mal raus. Da habe ich mir New York ausgesucht, weil es kulturell eine sehr interessante Stadt ist - und weil es weit weg von der Schweiz liegt. Wäre ich nach Paris gegangen, wären die Anfragen genauso weiter eingetrudelt und es hätte geheißen: "In vier Stunden sind Sie mit dem Zug da, machen Sie doch diesen Termin!" Aber in New York habe ich mich wieder neu programmiert und auch vieles nachgeholt, was ich verpasst hatte, weil ich keine Zeit dazu hatte. Ich war davor einfach zu beschäftigt mit ganz vielen Dingen, die man in Deutschland nicht so mitbekommen hat.

 

Weil man in Deutschland sowieso sehr wenig von der Schweiz mitbekommt.

Steinberger: Es kommt ganz selten vor, dass in deutschen Zeitungen auch nur eine Zeile über die Schweiz steht. Außer es geht um Banken und Skandale, dann sind wir sofort in deutschen Zeitungen präsent, aber sonst kommen wir sehr spärlich vor. Natürlich sind wir ein kleines Land. Aber wir denken doch manchmal, dass es auch in unserem kleinen Land einige Punkte gibt, die man im großen Deutschland auch übernehmen oder zumindest einmal diskutieren könnte. Andererseits ist es vielleicht besser so, dass wir eher in der Diskretion leben.

 

 

Karten für den Auftritt in Ingolstadt am 30. September gibt es in allen Geschäftsstellen des DONAUKURIER und seiner Heimatzeitungen.