Ingolstadt
Mut zum Mangel

Kabarettistin Inka Meyer gastiert in der Ingolstädter Neuen Welt

31.01.2018 | Stand 02.12.2020, 16:52 Uhr

Ethik oder Ästhetik? Inka Meyer in der Neuen Welt. - Foto: Wirtz

Ingolstadt (DK) Dürfen wir zugunsten des eigenen Selbstbewusstseins unser Umweltbewusstsein vergessen? Wenn man bedenkt, welchen Gefahren die Mitarbeiter asiatischer Textilfirmen ausgesetzt sind, bekommt der Begriff "Reizwäsche" eine ganz neue Bedeutung.

Am Dienstagabend wurde in der Neuen Welt die Geschichte erzählt, warum der Teufel Parka trägt und nicht Prada. Der Parka ist ein knielanger Mantel mit Kapuze, und das Modell des 21. Jahrhunderts hat einen obligatorischen Pelzkragen. Dem guten Gewissen zuliebe kauft der ethisch-korrekte Bürger natürlich nur Parkas mit Fell aus Polyester. Von wegen, Inka Meyer und ihr Kabarettprogramm klären auf und rechnen ab. Mit übertriebenen Schönheitsidealen, dem exzessiven Gebrauch von denglischen Begriffen und der Werbebranche, die die ganze Welt zum Narren hält.

"Der Teufel trägt Parka" öffnet die Augen. Dabei tritt die Kabarettistin zunächst auf wie die Unschuld vom Lande: freundlich, nett, eine adrette junge Frau. Im Laufe des Abends wird sie jedoch derber und kritischer. Ist die Realität noch so hart und schier unverdaulich, Stimmungskiller sind die ernsten Themen nicht - denen wirkt Inka Meyer mit kurzen Witzen auf Ansage entgegen. Oder mit Selbstgereimtem, wenn sie vor dem Kleiderschrank steht und nach einem Outfit sucht, das am wenigsten schlechte Erinnerungen weckt, um schließlich doch im Eva-Kostüm zu erscheinen. Oder die Benennung von über einem Dutzend Frauenmagazinen, die sie zu einer zusammenhängenden Story verwoben hat.

Dazwischen gibt es Unterricht in Werbepsychologie. Versprechen durch eine Ernährung mit Superfood, die Lobpreisung von unwirksamen Inhaltsstoffen und ein künstlich erzeugter "Choice overload" (Die Qual der Wahl) bringen die junge Frau in Rage. Die Perversion des Schönheitswahns nimmt kein Ende. Besonders kreativ: Sie zieht dafür - nicht so, wie jeder andere Kabarettist es momentan macht - über Modelmama Heidi Klum her, das wäre für die kluge Frau zu plump. Nein, Inka Meyer paart ihren Witz mit Verstand, zitiert zahlreiche Studien, nennt unglaublich viele Zahlen und redet dabei wie ein Wasserfall.

Diäten spielen bei der existenziellen Frage nach dem Idealgewicht eine außerordentliche Rolle. Herrlich sind ihre Psychogramme des Publikums, basierend auf dessen persönlicher Lieblingseissorte. Bei all den falschen Empfehlungen, dem Zwang zur Size Zero und den uneinheitlichen Konfektionsgrößen der Modeketten hat Inka Meyer den ultimativen Tipp: "Um Übergewicht zu vermeiden, einfach nicht in diesen Läden shoppen gehen". Makel soll man sich eingestehen, um sich auf die Besonderheiten eines jeden zurückzubesinnen.

Die übergeordnete philosophische Frage dieses ausgeklügelten Programms würde wohl lauten: "Anhand welcher Kriterien definiert sich der moderne Mensch heute" Die logische Konsequenz aus unserem Handeln ist der "Verkauf unserer Ethik zugunsten der Ästhetik". Ein Abend mit erhobenem Zeigefinger und doch voller Lacher auf die eigenen Kosten. Die Mischung macht's. Wer das verpasst hat, bekommt am 7. April die Chance, "Der Teufel trägt Parka" in der Alten Schule in Solnhofen zu sehen.