Ingolstadt
Mitreißender Dixie-Sound

Das Audi-Forum feiert das Jubiläum der ersten Jazz-Schallplatte

24.03.2017 | Stand 02.12.2020, 18:25 Uhr

Bassistin und Sängerin Nicki Parrott aus Australien verstärkte am Donnerstagabend das International Hot Jazz Quartet beim Gastspiel im Ingolstädter Audi-Forum. - Foto: Erl

Ingolstadt (DK) Vor ziemlich genau 100 Jahren ist die erste Jass-Schallplatte - damals noch mit zwei "S" geschrieben - von der Original Dixieland Jass Band aufgenommen worden. Grund genug für Manfred Rehm vom Neuburger Birdland-Jazzclub und Stephan Öri als Leiter des Audi-Forums, das International Hot Jazz Quartet um den Klarinettisten Engelbert Wrobel um ein Remake zu bitten.

Die haben nicht nur die Titel von damals im Museum mobile mit dabei, sondern auch großartige personelle Verstärkung.

Posaunist Dan Barrett hat schon in Benny Goodmans legendärer Band mitgewirkt, und die Bassistin und Sängerin Nicki Parrott aus Australien ist ohnehin einzigartig. Und noch zwei wichtige Details lassen ein authentisches klangliches Feeling wie vor 100 Jahren aufkommen: Drummer Bernard Flegar spielt auf einem wohl 80 Jahre alten Schlagzeug in Perlmut-Design mit grandiosem Sound, und alle sechs verzichten für ihre Instrumente auf elektronische Verstärkung. Nur für die Moderation und die Songs von Nicki Parrott stehen zwei Mikrofone auf der Bühne, alle anderen Klänge, Vibrationen und akustischen Nuancen kommen ungefiltert, unverstärkt und rein handgemacht beim Publikum an. Die besondere Akustik im Rondell macht es möglich, dass dabei keine Nuance und kein Windhauch aus den Instrumenten verloren geht. Es sind fast drei Stunden musikalischer Hochgenuss, in denen Wrobel und sein Team die Zuhörer in die Zeit der 1920er-Jahre zu Swing, Dixieland und frühem Jazz mitnehmen.

Natürlich stehen die beiden Titel der damaligen Schellackplatte im Fokus der akustischen Nostalgiereise. Der humorvoll-schnoddrig moderierende Bandleader spart jedoch die A-Seite fürs Finale auf. Die B-Seite mit dem Titel "Dixie Jass Band On Step" sei ohnehin viel bekannter, und so rollen sie die Historie sozusagen von hinten auf. Doch von wegen Historie. Ihr Dixie-Sound ist frisch und mitreißend samt schmelzend schönen Klarinettensoli, und was der Schlagzeuger aus den alten Fellen heraus holt, ist in seiner Extraklasse mehr als nur sportlich frisch. Es sind allesamt hervorragende Solisten, die ihre jeweiligen Parts genussvoll ausreizen - ob aus der Posaune von Dan Barrett, der Trompete des Duke Heitger oder dem Fingerzauber über die Tasten des Bösendorfer von Paolo Alderighi. "Man kann's immer noch hören. Die wussten schon, was sie da machen", freut sich Engelbert Wrobel in unverkennbarem Rheinländer-Slang über die Begeisterung im Publikum. Nicki Parrott ist eine der wenigen Damen in der Jazz-Szene am Bass. Nicht nur das gefühlvolle Saitenzupfen sichert ihr den Applaus. Ihre Stimme verfügt auch über eine dezente Prise Sexappeal.

Die A-Seite aus der historischen Schellackpressung heben sich die Musiker fürs Finale auf. Sie präsentieren den "Livery Stable Blues" gleich zweimal - einmal in möglichst authentischer Originalfassung und gleich darauf in eleganter, weniger brachialer eigener Version. Beides hat seinen eigenen Reiz, und das Publikum schwebt ohnehin in einer musikalischen Glückswolke.