Ingolstadt
Lesen in Pink und Blau

27.05.2015 | Stand 02.12.2020, 21:15 Uhr

Fantasy und Mystery boomen: Doch auch hier gibt es geschlechtsspezifische Vorlieben, weiß Kristin Hiddessen, Buchhändlerin bei Hugendubel Ingolstadt. - Foto: Fröhlich

Ingolstadt (DK) Wer ein Kinderbuch sucht, der stellt oft fest: Es gibt in der Aufmachung eine klare Trennung: Die Farben Rosa, Pink und die Magentatöne zeigen den Mädchen ihre Themen; Blau oder düstere Erdfarben sollen die Buben locken. Längst überwunden geglaubte Rollenklischees scheinen fröhliche Urständ zu feiern. So sieht es das Börsenblatt des deutschen Buchhandels in seiner Sonderausgabe zu Kinder- und Jugendbüchern. Programmleiterinnen, Lektorinnen und Buchhändlerinnen bestätigen darin, dass der Aufbruch in die Moderne Ende des vergangenen Jahrhunderts ins Stocken geraten sei: In der Nachfolge von Astrid Lindgrens „Pippi Langstrumpf“ waren neue Möglichkeiten sowohl für Mädchen als auch für Buben entstanden – Mädchen konnten stark sein, ein männlicher Held weich und einfühlsam.

In der Breite funktioniere das männliche Rollenklischee nun wieder oder immer noch – Jungen bevorzugen demnach Autos, Abenteuer, Sport, sind wild und cool. Die Mädchen scheinen mehr Auswahl zu haben. Sie können wählen zwischen aufmüpfigen, wilden Mädchen, die sich in Abenteuern bewähren, und Heldinnen in Pink, die ins Ballett gehen und vom ritterlichen Helden träumen. Vor allem in der Altersstufe bis elf Jahre dominieren demnach stereotyp gestaltete Titel.

Katja Krieger, Marketingleiterin KeRLE-Kinderbuch, verweist dazu auf ihre Fantasy-Reihe „Cross Worlds“, in der die Helden Jonas und Martis die fantastische Welt Mirfanija von Bösewicht Lasslo befreien, und auf die Mädchenbücher „Monster Mia“. Mia trägt ein rosa Tütü-Röckchen aber auch fetzige Ringelstrümpfe wie einst Lindgrens Pippi. Mia liebt Maden und ihre Ratte Quentin, ihre Schwester Marie dagegen entspricht eher dem angepassten Mädchentyp. Krieger: „Auch wenn wir Erwachsenen nicht gerne in Klischees denken, die Kinder tun das häufig und gerne. Das betrifft meist nur ein gewisses Alter – etwa bis zehn Jahre. Aber da kann es nicht rosa genug sein, von Tieren und Pferden nur so wimmeln. Analog sind es bei den Jungs dann Fußball, Monster, Piraten.“ Dass diese Klischees bedient werden, begründet sie damit, dass es das Ziel sei, beide Geschlechter mit Freude an das Lesen heranzuführen.

Alle Verlage betonen, dass sie auch in Büchern, die eindeutig den Geschlechtern zuzuordnen sind, feste Rollenzuweisungen aufbrechen: „Keine Bücher, in denen sich Mädchen anpassen oder unterwerfen“, sagt Astrid Muschkowski, Lektorin bei Dressler, wo die „Millie“-Bücher von Dagmar Chidolue ebenso erscheinen wie Claudia Friesers „Leo und der Fluch der Mumie“, Cornelia Funkes „Reckless“-Reihe und Vera Kissels „Was die Welle nahm“, die Geschichte eines 14-Jährigen, dessen Vater durch den Tsunami getötet wurde. Mit Klischees werde auch gespielt, sagt Katharina Nüßlein vom Magellan-Verlag: „Bei ,Der kleine Cowboy und der große Wurf’ muss am Ende der Sheriff die Wäsche waschen.“

In der inhabergeführten Buchhandlung Stiebert in Ingolstadt blinken nur vereinzelt rosa-, pink- oder magentafarbene Buchcover in den Regalen: „Wir legen da Wert drauf“, sagt Gerd Stiebert. Hier sind die Cover bunt gemischt, die Bücher sind – ebenso wie in der Hugendubel-Filiale in der Ingolstädter Innenstadt – nach Altersgruppen und nach Genres wie Sach- und Bilderbuch sowie Belletristik eingeteilt. Bei Hugendubel ist nochmals ein Extra-Platz für Mystery und Fantasy im Jugendbereich reserviert sowie für die Mädchen ab zwölf Jahren eine spezielle Krimi-Ecke eingerichtet.

„Bei den Mädchen-Thrillern gibt es nicht so viele Leichen, und ein Mädchen ermittelt“, erklärt Buchhändlerin Kristin Hiddessen. Eine weibliche Heldin sei, das bestätigt Margit Heindl von der Buchhandlung Stiebert, vielen Buben und männlichen Teenagern kaum vermittelbar. Sie lebten ihr Heldentum sogar lieber in einer ganz anderen Welt aus und bevorzugten Fantasy-Reihen. Mystery, Geschichten mit realem Unterbau und einer Prise Magie, sei etwas für Mädchen: „Sie stellen sich vor, dass es ihnen ähnlich ergehen könnte“, sagt Hiddessen – die 23-Jährige ist auf Jugendbuch, Fantasy und Mystery spezialisiert.

Martina Sonnenberg, bei Stiebert zuständig für Kinder- und Jugendbücher, hat auf Anfrage eines Lehrers sogar zwei Vorschlagslisten erstellt: eine für Jungen der 8. bis 10. Klassenstufe und eine für Mädchen. „Bei den Jungs steht auch Yves Grevets ,Nox Unten’ drauf. Da ist eine Heldin dabei, die sich aber zum Ausgehen schön macht“, sagt Margit Heindl. Trotzdem sei das Buch bei den männlichen Teenagern beliebt.