Ingolstadt
Bissigkeiten im Plauderton

Schlaue Texte, freche Lieder: Josef Brustmann eröffnet die 33. Ingolstädter Kabaretttage

17.01.2017 | Stand 02.12.2020, 18:47 Uhr

Vielfältig: Der Musikkabarettist Josef Brustmann kann Gitarre und mit Glocken spielen, aber auch auf der Zither. Im Schein einer Minidiscokugel präsentiert er auf der Bühne der Neuen Welt in Ingolstadt eine Coverversion des Beatles-Songs "Across The Universe". - Foto: Weinretter

Ingolstadt (DK) Was für Wesen, Gestalten, Charakterköpfe: der selbst in der Isar im Kreis schwimmende Goldfisch Hemingway, der Totengräber Toni Tretter, die Summer-Kathi, die beim Küssen immer gesummt hat, oder der Vogelstimmenimitator Hupf. Der Berger-Max, der als Torpfosten herhalten musste, und der Heinzi, der das Zwieback-Tüten-Casting gewonnen hat.

Alle haben sie Josef Brustmann geprägt und begleitet - manche seit Kindertagen -, alle stammen sie aus der oberbayerischen Provinz, einem Ortsteil von Wolfratshausen. Na servus, das auch noch, mag man denken. Josef Brustmann dazu: "Über den Stoiber macht man keine Witze, über den lacht man so." Dem Berufswunsch der Mutter - Pfarrer - hat er sich erfolgreich widersetzt, nicht nur, weil er als Ministrant auch schon mal das ewige Licht gelöscht hat. Der eigentliche Grund: "Ich mache mir nichts aus kleinen Buben." Und Brustmann wundert sich angesichts der sexuellen Übergriffe in der Silvesternacht 2015 auf der Kölner Domplatte, dass die "vor der Kirche" stattgefunden haben.

Mit dem Auftritt des 62-Jährigen - ehemals beim "Bairisch-Diatonischen Jodel-Wahnsinn", bei der "Monaco Bagage" und ausgezeichnet mit diversen Preisen - starteten am Montag die Ingolstädter Kabaretttage in die 33. Auflage. Da passte es nur allzu gut, dass Josef Brustmann als treuer Gast auf der Bühne der Neuen Welt erst einmal Vorschusslorbeeren für den neuen Wirt, Johannes Langer, verteilte und Dankesapplaus für Walter Haber anregte: Erleichterung über die gelungene Übergabe der Kleinkunstbühne an dessen Nachfolger und Freude darüber, dass Haber an der Theke saß: "Nun ist er allweil noch da."

Josef Brustmann nimmt das Publikum dann mit auf eine Erinnerungsreise in seine Kindheit und Jugend, er schlägt einen weiten Bogen über Zeitgeist und Politik, erzählt über sein Dorf Waldram, das ursprünglich einmal Föhrenwald hieß und im Nazi-Deutschland als Zwangsarbeitslager diente, denkt über Krieg und Freiheit nach und fabuliert über "wacklige Zeiten" mit Trump, EU, VW, Ukraine - und seinem Zithertisch. All das mit Sinn für valentinesken Humor und Faible für abstruse Geschichten, die das Leben schreibt. Brustmann ist dabei kein Sprücheklopfer, eher ein Meister des Plaudertons, ein genauer Beobachter und gewitzter Erzähler, dem man genau zuhören muss, weil die Bissigkeiten und Hinterhältigkeiten nicht laut und platt daherkommen und die Übergänge zwischen Kneipenwitz, Politkabarett und Stand-up fließend sind.

Originell sind seine musikalischen Darbietungen. Er kann Gstanzln und Glocken, Gitarre und Knopfakkordeon. Er spielt auf der Zither im Schein einer Minidiscokugel eine hinreißende Coverversion des Beatles-Songs "Across The Uniá †verse" oder eine verzerrte Version des AC/DC-Hits "Highway to Hell". Ruhig und nachdenklich ist hingegen die Vertonung des Ernst-Jandl-Gedichts "Vater komm, erzähl vom Krieg".

Richtig garstig wird Josef Brustmann, wenn es um Macht und Niedertracht, wenn es um die Scheinheiligkeit der Kirche und Ungerechtigkeiten geht. Er sinniert dann auch schon mal über den Zusammenhang zwischen dem Tod der Demokratie und den Wahlen als Urnengang nach. Auch die CSU bekommt ihr Fett im Allgemeinen und die Ministerpräsidenten im Speziellen weg. Und Brustmann macht dem bayerischen Finanzminister Markus Söder kurz Hoffnungen auf einen Karrieresprung dank des Gesetzes der Serie: Strauß, Streibl, Stoiber, Seehofer. "Das klappt aber nur, wenn man kein Franke, nicht evangelisch und nicht 1.-FC-Nürnberg-Fan ist."

Alles in allem: ein unterhaltsamer, witziger und hintersinniger Abend, der Lust auf mehr Kabaretttage macht. 62 Termine gibt es noch.