Ingolstadt
Gemischtes Publikum erwünscht

Ingolstädter Jazztage verkauften heuer 77 Prozent der verfügbaren Karten für 30 Konzerte

23.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:10 Uhr

Foto: Reinhold Weinretter

Ingolstadt (DK) Es ist schon bemerkenswert, dass Ingolstadt sich ein solches Festival leistet - 23 Tage haben die 34. Jazztage gedauert. Dafür lässt die Stadt einiges springen - 168 000 Euro waren es heuer, in der Vergangenheit sogar bisweilen noch mehr (siehe Grafik).

4800 Zuschauer sind in diesem Jahr gekommen, bei 30 Konzerten macht das eine Platzauslastung von 77 Prozent. Das ist besser als 2016: Da lag die Auslastung bei 67 Prozent. Dennoch war das Festival schon erfolgreicher: Im Jahr 2015 hatte man 95 Prozent geschafft. Vielleicht hat die schwache Auslastung auch mit dem gleichzeitig stattfindenden Birdland Radio Jazz Festival in Neuburg zu tun. Denn auch dort treten hochkarätige Künstler auf. Zweifellos besteht die Gefahr, dass die Festivals sich gegenseitig den Wind aus den Segeln nehmen.

Die städtische Veranstaltungs-GmbH ist trotzdem zufrieden: "Wir haben großartige Jazztage erlebt", meint Geschäftsführer Tobias Klein. Wie es in einer Pressemitteilung heißt, sei man besonders stolz auf das gemischte Publikum. Das Festival habe sowohl viele junge Menschen als auch ältere angesprochen. Und auch, wenn die Zahlen noch nicht ganz stimmen, will man offenbar dabei bleiben, den Begriff Jazz weiter zu fassen.

Schon in den vergangenen Jahren standen Namen auf der Liste der Musikergäste, die man nicht unbedingt mit Bebop, Swing oder Fusion in Verbindung bringt, zum Beispiel Katie Melua, bei der man darüber streiten kann, ob sie nun Folk, Pop oder Blues spielt. Oder die französische Sängerin Zaz, zu der man den Begriff "Nouvelle Chanson" lesen kann. Das sind bekannte Künstlerpersönlichkeiten, die viele Menschen gern live sehen möchten. "Jazz" meint bei ihnen, dass sie sich der Stilmittel dieser freien und improvisationsfreudigen Art der Musik bedienen.

Heuer galt dieses Prinzip für Max Giesinger, den man vor allem wegen seiner eingängigen Pop-Hymnen im Radio kennt. Bei seinem umjubelten Auftritt im Ingolstädter Festsaal variierte er seine Songs und machte sie so "weitaus mitreißender und ausgereifter", wie unsere Kritikerin Barbara Fröhlich schrieb. Gezogen haben sicherlich auch die gleich zwei Eurovision-Song-Contest-Teilnehmer im Programm: Raphael Gualazzi und Max Mutzke, die aber beide auch musikalisch in ein Jazzfestival passen.

Die Bandbreite der Stilrichtungen ist indes bei "Jazz in den Kneipen" schon oft recht groß gewesen. Heuer gab es eine Songwriter-Newcomerin, Klezmer, Gypsy-Jazz oder Swing. Das funktioniert recht gut, aber den Charakter des Festivals dürfen die Veranstalter nicht aus den Augen verlieren: Ein Klezmer-Duo mit poetischer, ruhiger Musik im dafür viel zu großen Swept Away, das hat heuer nicht gezündet - auch wenn die Veranstaltungs-GmbH in ihrer Pressemitteilung den Eindruck vermitteln will, alle Programmpunkte seien wunderbar gewesen. Über die passende Inszenierung kann man an manchen Stellen noch nachdenken: Das Weltmusik-Ensemble Quadro Nuevo in der Kirche St. Augustin - das war traumhaft. Bei Klaus Doldinger im bestuhlten Festsaal hätten Stehplätze gutgetan.
 

Verlässlicher Höhepunkt des Festivals sind die Jazzpartys. Auf der bombastischen Welcome Party erklärte der schwedische Posaunist Nils Landgren heuer ganz genau, warum viele Musiker die Jazztage so schätzen: "Da kriegt man fast Tränen in die Augen, wenn alle Leute so dastehen und dich anschauen." Nur eine Armlänge vom Publikum entfernt zu sein, das ist für Musiker dieses Kalibers offenbar nicht alltäglich. Auch dass während der Partys im NH-Hotel die Stars wie selbstverständlich neben den Zuhörern über den Gang spazieren, oder spontan bei Late-Night-Sessions mitspielen, ist alle Jahre wieder ein großartiges Erlebnis, das dem Gespür des künstlerischen Leiters Jan Rottau zu verdanken ist. Wichtig ist, dass das Festival sich dieses Alleinstellungsmerkmal erhält.