Ingolstadt
Wie ein guter Bekannter

Jim Kahr begeistert beim Bluesfest in der Neuen Welt

16.06.2017 | Stand 02.12.2020, 17:56 Uhr

Versierter Gitarrist: Jim Kahr bei seinem gefeierten Auftritt in der Ingolstädter Neuen Welt. - Foto: Leitner

Ingolstadt (DK) Jim Kahr ist beileibe nicht zum ersten Mal in der Neuen Welt zu Gast. Als Solist mit akustischer Gitarre, als Chef eines elektrisch verstärkten Quartetts mit lupenreinem Chicago Blues im Gepäck, als Grenzgänger zwischen Blues, Soul und Funk, als Allroundgitarrist, der so ziemlich in jedem Genre zu Hause ist, sofern es nur irgendwie mit Blues zu tun hat.

Wer ihn lediglich einmal live gesehen hat, kann noch lange nicht behaupten, ihn wirklich zu kennen.

Beim diesjährigen Bluesfest-Konzert in der Ingolstädter Neuen Welt legt er den Schwerpunkt auf seine Rolle als technisch versierter Gitarrist. Das war er schon immer, demonstrierte sein Können auf dem Griffbrett aber nur selten wirklich ausgiebig, stellte stattdessen seine Kompositionen in den Mittelpunkt oder den klassischen Chicago-Blues, den er als Mitglied von John Lee Hooker's Coast To Coast Bluesband selber mitgestaltete.

Diesmal ist das anders. Kahr zeigt, was er als Gitarrist auf dem Kasten hat, und das ist einiges. Der enorme Drive bei "City Struggle", der zornige und dem Text angepasste Sound bei Marvin Gaye €˜s "Inner City Blues", die weinende Gitarre in "How Different You Really Are", das Ausloten des akustischen Raumes bei dem Blueswalzer "Nothin €˜ To Lose" - ja, es gibt jede Menge tolle Songs an diesem Abend und Soli, in denen keine Phrase, keine Figur doppelt vorkommt. Die Krönung ist "Old Love", diese Koproduktion von Eric Clapton und Robert Cray, der er ein Solo wie aus dem Lehrbuch verpasst. Besser kann man hinsichtlich Aufbau, Steigerung, Dynamik und Dramaturgie einen instrumentalen Mittelteil kaum anlegen.

Und weil die Geschichte, die Kahr mit der Gitarre erzählt, sich konsequent ergibt aus der Story des Songs und der inneren Zerrissenheit des Sängers, aus der Situation von "Old Love" eben, ist allein diese Nummer das Eintrittsgeld wert.

Natürlich könnte man kritisch anmerken, dass Drummer Michael Germer an manchen Stellen fast zu sehr prügelt, und der stoische Bassist Kevin Duvernay wirklich nur tut, was unbedingt nötig ist. Die passenden Grooves aber bekommen sie dennoch wirklich gut hin, das muss man Kahrs Begleitern lassen. Nicht umsonst macht sich das fast schon magische "Breaking Up Somebody's Home" quasi selbstständig, fängt an zu schweben und wird so zu einem zweiten Highlight nach der Pause.

Ob Kahr das Konzert in der Neuen Welt mitschneiden ließ, ist nicht bekannt. Gelohnt hätte es sich auf jeden Fall, beinhaltete der gut zweistündige Auftritt doch etliche Momente, die man sich gerne in konservierter Form nochmals angehört hätte. Manchmal ist es wirklich schade, dass man das soeben Gehörte nicht gleich anschließend mit nach Hause nehmen kann.