Ingolstadt
Hypers Welt

Im Ausstellungsraum T 25 in Ingolstadt blickt die Künstlerin Cécile B. Evans in die nahe Zukunft

11.05.2017 | Stand 02.12.2020, 18:09 Uhr

Foto: DK

Ingolstadt (DK) Welches Thema wäre aktueller? Mit der Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine, mit dem Übergang der wirklichen in eine virtuelle Welt beschäftigen sich derzeit auch Künstler aller Sparten. Zwei hochkarätige Beispiele sind nun in Ingolstadt zu sehen: im Großen Haus des Stadttheaters, wo die Tanzproduktion "Silver" der niederländischen Choreografin Nanine Linning Roboter auf ihrem Selbstoptimierungstrip verfolgt (der DK berichtete) - und im kleinen Ausstellungsraum T 25 des Sammlerehepaars Andreas und Manuela Wittmann, wo die belgisch-amerikanische Künstlerin Cécile B. Evans ihre Videoarbeit "Working On/What The Heart Wants" um die Animationsfigur Hyper präsentiert. Beide, Linning und Evans, trotz ihrer Jugend renommierte Künstlerinnen, stellen mit ihren Arbeiten die Frage nach der Menschlichkeit in einer immer mehr von Virtualität bestimmten Welt - die eine als packende analoge Tanzerzählung, die andere mit virtuellen Mitteln, mit Bildschirmen, Rechnern und einem Heer von Programmierern.

An ihre Leistungsgrenze sind die Wittmanns, die für die Umgestaltung ihrer (Miet)Räume für ihre Künstler - einige Biennale-Teilnehmer waren schon da - nie Mühen scheuten, diesmal gegangen. Viel technisches Equipment war nötig für die 3-Kanal-Videoarbeit Evans': drei große Bildschirme, drei dort angeschlossene Rasperry Pis und deren Verbindung zu einem Londoner Server, von wo die Arbeit aktuell hochgeladen wird. Dies wiederum mithilfe der Programmierer, die - witziges Inszenierungsdetail im Tonnengewölbe des T 25 - eben noch hier präsent gewesen zu sein scheinen. Ein Arbeitstisch mit drei Stühlen vor den Bildschirmen, darauf nachlässig Kopfwehpillenblister, Streifenkarte, Augentropfen, der Schraubverschluss einer Wasserflasche, ein verirrter Geldschein - eben all das, was als Abfallprodukt vom Tage übrig blieb nach langen Stunden angestrengten prozesshaften Generierens.

Und um den Prozess von "What The Heart Wants" geht es auch in dieser Ingolstädter Schau der 33-jährigen Londonerin. Die eigentliche Arbeit zeigte Evans 2016 auf der Berliner Biennale: eine groß angelegte Erdgeschoss-Installation im Kunst-Werk mit Stegen über Wasser und virtuellen Räumen, die eintauchen ließen in die moderne Welt von Hyper - und so zugleich in menschliche Vergangenheit. In Ingolstadt nun Teile dieser Arbeit, Details, Entwicklungsschritte - doch ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Denn das hochkomplexe Spiel auf den drei Bildschirmen geht auf, durch eine manipulativ ästhetische Weise. Verträumt die ruhig in Endlosschleife ablaufenden Bilder, Meditatives im Raum. Mittig die virtuelle, von Evans' Programmierern zum Leben erweckte Hyper im Wassertanz und dazu andere Figuren (wie das künstliche japanische Popsternchen Hatsune Miku, zu dessen Konzerten schon mal 50 000 echte Leute kommen), links (Landschafts-)Architektonisches aus analoger Welt, längst menschenleer. Und rechts: das Wort. Der E-Mail-Kontakt der Künstlerin mit ihren Programmierern während der "What The Heart Wants"-Entstehungsphase läuft auf Bildschirm drei und macht der Poesie des Virtuellen durch seine Präzision den Garaus. Sind Hypers Wimpern rechts nicht viel zu lang? Sollte ihr Po nicht runder sein? Perfectly now, this hair! Aber die Strähne links?

Das alles zeigt die Wirklichkeit: Der Mensch ist machbar. Optimierbar. Zumindest digital. In seiner äußeren Form. Doch was ist mit - pardon - der Seele? Das fragt, wertfrei übrigens, die Schau im winzigen T 25. Und das fragt auch "Silver" im Großen Haus des Stadttheaters. Für das ganz private Weiterdenken sollte man sich beides gönnen!

 

Die Ausstellung im T25 ist bis 29. Juli samstags von 16 bis 18 Uhr geöffnet. "Silver" ist noch am 20. Mai (19.30 Uhr) und am 21. Mai (19 Uhr) zu sehen. Karten: (08 41) 30 54 72 00.