Ingolstadt
Hochvirtuos und quietschvergnügt

Ungewöhnliches "Wiener Neujahrskonzert" im Ingolstädter Festsaal: The Philharmonics spielten für den Konzertverein

08.01.2017 | Stand 02.12.2020, 18:49 Uhr

Das Programm der Philharmonics beinhaltete Werke von Klassik bis Klezmer, Gipsy und Latin Jazz. - Foto: Schaffer

Ingolstadt (DK) Wer dem berühmten Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker beiwohnen will, braucht dafür bis zu 1000 Euro sowie ungeheuer viel Glück bei der Kartenvergabe. Eine leichter zugängliche Alternative bot nun der Konzertverein: The Philharmonics spielten im Festsaal auf zum "Wiener Neujahrskonzert". So konnte man auch hören, was dran ist an den Superlativen, mit denen diese Formation als einzigartig in der Musikwelt gepriesen wird. The Philharmonics: Das sind vier Wiener Philharmoniker, zwei Berliner sowie zwei weitere Musiker, die auf diesem Niveau mithalten. Oder: Ein Streichquartett plus Klarinette plus Klavier plus Kontrabass. Ein Klangkörper also, mit dem man einiges anstellen kann.

Die Ouvertüre schlägt dann auch gleich das Thema "Wien" an: klar, die Fledermaus an der schönen blauen Donau! Da blitzen aber auch viele weitere Themen, die man bald freudig erkennt, bald nur schwer zuordnen kann. Was vom Balkan? Oder aus Südamerika? Die Form der Ouvertüre wird zum "melting pot" der verschiedensten Musikstile. Was in diesem Mischmasch für Einheit sorgt, nur der besondere Klang des Ensembles: ungeheuer prägnant und kernig, süffig, funkelnd vor Esprit. Und sofort wird klar, wie anders dieses Neujahrskonzert ist, weit über die Strauss-Dynastie und deren Epigonen hinausreichend. Da wird nicht nur der Vielvölkerstaat Österreich wieder lebendig, die "Glorreichen Sieben" (so inoffizieller Ensemblename) galoppieren in Riesenschritten durch Europa und darüber hinaus, von der Klassik in Volkstraditionen, in den Jazz und wieder zurück.

Mit kommerziellen "Crossover" hat das nichts zu tun: Hier lebt neben der puren Spielfreude auch die Lust an Parodie, an schrägen Kombinationen, am typisch wienerischen Humor. Da wird zum Beispiel John Williams "Weißer Hai" auf Saint-Saëns' "Aquarium" losgelassen, ein Insektenquiz veranstaltet (mit einer unglaublich dicken Hummel in Form des Kontrabasses), der melancholische Jude Éléazar aus Halevys großer Oper "La Juive" mit fröhlichem Klezmer aufgeheitert. Eine feine Ironie und natürlich die professionelle Virtuosität der Musiker verhindert, dass dies in bloßen Klamauk ausartet. Primus Tibor Kovác, Vorgeiger der Wiener Philharmoniker, legt viel Wert auf den klassischen Hintergrund - und geigt zum Beispiel Bizets "Blumen-Arie" mit einem so betörenden Schmelz, dass sich der ganze Wiener Geigenhimmel über den Festsaal herabzusenken scheint. Und dann singt Sebastian Gürtler an der zweiten Violine wiederum ein Wiener Lied, das dieses Klischee genüsslich durch den Kakao zieht.

Die Philharmonics haben immer noch eine Überraschung in der Hinterhand. So offenbart sich Daniel Ottensamer, Soloklarinettist der Wiener und feinsinniger Kammermusiker, auch als versierter Jazz-Interpret. Und tummelt sich quietschvergnügt, in haarsträubendem Tempo über den Balkan. Am Ende des Programms vereinen sich alle sieben noch einmal zu besonderer Größe. Die Rumänische Rhapsodie Nr. 1 von George Enescu, ein Klassiker der folkloristischen Klassik, kommt in orchestraler Fülle, aber auch in einer musikantischen Spontanität und idiomatisch geprägten Spielweise, wie sie kein Orchester erzielen kann. The Philharmonics sind eben doch einzigartig, wie dieses mitreißende, amüsante, wie versprochen abenteuerliche Festkonzert beweist.

Der Konzertverein ist also auch noch im gesegneten Alter von 100 Jahren für eine Überraschung gut. Mit Gejohle und Standing Ovations wird zur Zugabe gebeten.