Ingolstadt
Großmanns Alternativ-Oase

Der Kabarettist begeistert in der Ingolstädter Neuen Welt

25.04.2017 | Stand 02.12.2020, 18:15 Uhr

Durchgeknallte Spinner: Martin Großmann nimmt die Alternativ-Szene aufs Korn. - Foto: Leitner

Ingolstadt (DK) Eine ganze Horde mehr oder weniger durchgeknallter Öko- und Esoterik-Spinner bevölkert einen Selbstversorger-Bauernhof im Bayerischen Wald. Man trifft sich bei Rhabarber-Diät und Fruchtbarkeitstänzen ums Lagerfeuer, feiert die erste selbst geerntete Tomate mit einem Klangschalenfest und wird von den Betreibern abgezockt, was man aber erst mitkriegt, wenn's zu spät ist.

Als Martin Großmann an diesem Abend sein kabarettistisches Einpersonenstück "Krafttier Grottenolm" in der Neuen Welt aufführt, muss man erst einmal lachen über seine Figuren, die er wie immer schauspielerisch und sprachlich glänzend charakterisiert. Der stockdumme, unbelehrbare Neonazi, der angetreten ist, die deutsche Erde vor dem Flüchtling zu beschützen, der sich für einen Schamanen haltende Proll, der naive Öko-Freak, der hinter jeder Baumrinde kosmische Kräfte vermutet - sie alle und ganz besonders der ungerührt Glyphospat von Monsanto versprühende Hartlbauer sind das überaus liebevoll und detailgenau gezeichnete Personal dieser typischen Großmann-Geschichte.

Typisch deswegen, weil es - wie stets bei ihm - damit nicht getan ist. Nicht einmal mit einer zweiten Ebene hinter der eigentlichen Handlung ist es getan, also damit, dass mal einer ausbricht und eine schmackhafte Leberkässemmel all dem Vegetarier-, Veganer- und Fruktarier-Fraß (Fruktarier essen ausschließlich Fallobst) vorzieht oder sich tatsächlich mal Gedanken macht über die diktatorisch geführte Ökoenklave jenseits des gesunden Menschenverstandes, die mehr von George Orwell's "Big Brother" und "Animal Farm" an sich hat als deren Bewohner sich vorstellen können. Nein, es gibt etliche weitere Ebenen und Erkenntnisse hinter der vordergründigen Handlung. Etwa die, dass am Ende die alternative Lebensform an den Streitereien ihrer Befürworter untereinander scheitert. Oder die, dass sich immer Geld und Kapital durchsetzen, dass im Moment des Untergangs sich sofort Krisengewinnler über die Überbleibsel hermachen, dass mit Korruption vieles geht, was sonst nicht ginge, dass Manipulation immer auch ein gewisses Maß an Dummheit bei den Manipulierten voraussetzt, dass immer die anderen an der Misere schuld sind und Selbstlügen viel bequemer sind als Selbstreflexion.

Großmanns Alternativ-Oase ist nur für kurze Zeit eine Insel der Glückseligkeit. Als Kabarettisten mag es ihm darum gehen, all die Sonderlinge und offensichtlichen Spinner der Lächerlichkeit preiszugeben. Im Grunde aber zeichnet er mit seinem erfundenen Mikrokosmos ein Spiegelbild der Gesellschaft mit all ihren aktuellen Strömungen, all der Unzufriedenheit, der Wut, der Resignation, der Geldgier und der damit verbundenen Option ihres Scheiterns. Und so schwingt bei all den lustigen Momenten auch immer ein wenig Pessimismus mit.

Was für ein Programm! Alle Achtung!