Ingolstadt
Fremdgängerei

Klassik-Musiker machen Jazz im Audi-Forum

13.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:21 Uhr

Jazzgitarrist Helmut Nieberle hat die Musik des Abends im Audi-Forum arrangiert. - Foto: Leitner

Ingolstadt (DK) Heimliche Fremdgängerei ist im normalen Leben verwerflich. In diesem speziellen Fall, in dem vier Mitglieder der Berliner Philharmoniker eine Liebelei mit dem Jazz haben, ist sie das nicht.

Die beiden Parteien treffen sich sogar in aller Öffentlichkeit, im Audi-Forum, und weil der Abend mit "Bolero Berlin" auch noch das erste Konzert des 7. Birdland Radio Jazz Festivals ist, wird das Rendezvous zwischen Klassik und Jazz sogar vom Bayerischen Rundfunk mitgeschnitten. Mehr Öffentlichkeit ist kaum denkbar.

Und das ist gut so, denn es ist ja nicht gerade ein alltägliches Ereignis, wenn man Ohrenzeuge wird, wie Martin Stenger (Viola), Manfred Preis (Klarinette, Sopransaxofon), Raphael Haeger (Klavier), Esko Laine (Kontrabass), Topo Gioia (Perkussion) und der Jazzgitarrist Helmut Nieberle über den Tellerrand blicken, beim Tischnachbarn genussvoll stibitzen und so eine hierzulande ziemlich einzigartige Verbindung zweier Welten hörbar machen, die ansonsten eher weniger miteinander zu tun haben.

Darf ein Bossa Nova plötzlich zum Walzer werden? Ist es möglich, Puccini und Verdi mit Latin-Jazz in Verbindung zu bringen? Was hat Richard Wagners "Tannhäuser" mit Blues zu tun und warum machen sich ausgerechnet Kurt Weills Kompositionen so gut im Jazz-Idiom? Erstens, weil Nieberle, der die Arrangements für das Sextett schreibt und die Klassiker somit jazztauglich macht, einen hervorragenden Job erledigt, und zweitens, weil die Philharmoniker sich darauf mit sichtlicher Freude und ohne große Berührungsängste einlassen.

Freilich kann keiner aus seiner Haut, kann und soll auch keiner seine Herkunft und sein Selbstverständnis verleugnen. Wenn der Bratschist, der Pianist oder der Saxofonist soliert, unterstützt ihn der Jazzer, kommentiert das Tun seines Gegenübers. Jazzer machen das eben so, Philharmoniker eher nicht. Aber auch sie lassen sich hin und wieder regelrecht mitreißen, tauen immer mehr auf und versprühen ab und an richtig Feuer, etwa bei Bizets "Habanera" oder bei Gershwins "Summertime", weswegen diese beiden Nummern eindeutig die Highlights des Abends sind.

Und natürlich "Ingolstadt, mein Ingolstadt" als zweite Zugabe. Ja, dieser Titel existiert wirklich, was man auf der CD "Bolero Berlin Live" von 2010 auch nachhören kann. Er darf natürlich bei einem Gastspiel dieser Formation in der Schanz nicht fehlen und ist einer der besten des ganzen Konzerts.