Ingolstadt
Flucht ins gelobte Land

"Früchte des Zorns" hat am Freitag im Stadttheater Ingolstadt Premiere

28.03.2017 | Stand 02.12.2020, 18:24 Uhr

"Früchte des Zorns" beschreibt das Schicksal der Joads, die in der Großen Depression der 1930er-Jahre ihre Heimat verlassen müssen. Aber das Paradies sehen sie nur von hinten. - Fotos: Voigt/Lobinger

Ingolstadt (DK) Warum holt man heute den mehr als 75 Jahre alten Roman "Früchte des Zorns" von John Steinbeck auf die Theaterbühne? Zum einen natürlich, weil es großartige Literatur ist. Zum anderen aber auch, weil er eine Flüchtlingsgeschichte thematisiert.

Steinbeck erzählt von der historischen Armutsmigration in den 30er-Jahren in den USA am Beispiel der zwölfköpfigen Großfamilie Joad, die zur Zeit der Großen Depression, wie viele hunderttausende andere aus Oklahoma über die Route 66 ins angeblich gelobte Land Kalifornien flieht. Im Mittleren Westen ist seit Jahren kein Regen mehr gefallen, die Monokultur hat den Boden ausgelaugt, die Felder sind zu Staub geworden, und der Einsatz der großen Traktoren hat schließlich dazu geführt, dass die Bewirtschaftung des Landes gerade für kleine Farmer unrentabel geworden ist. Doch statt des ersehnten Paradieses finden die Joads und all die anderen, die mit ihnen unterwegs sind, nach den übermenschlichen Anstrengung ihrer Reise kein Paradies vor, sondern eine kapitalistische Hölle der Ausbeutung und Erniedrigung.

John Steinbeck hat mit "Früchte des Zorns" seinen literarischen Ruhm begründet. Regisseur Jochen Schölch (Foto), seit 1998 Intendant des Metropoltheaters München, das mehrfach als bestes off-Theater Deutschlands ausgezeichnet wurde, und Professor an der Theaterakademie August Everding, bringt das Werk in der Fassung von Frank Galati auf die Bühne des Stadttheaters Ingolstadt. Am Freitag ist Premiere im Großen Haus.

"Wenn wir im Moment über Migration reden, vermischen wir komplett Asyl, Kriegs- und Klimaflucht oder Flucht aus Armutsgründen. Aber wenn wir mal dieses eine Thema nehmen, gibt es kaum einen Stoff, der adäquate Antworten darauf hat, der analysiert, welche Ursachen es gibt und wie das System eigentlich beschaffen ist", erklärt Schölch. "Und da hat John Steinbeck Ende der 30er-Jahre diesen Roman geschrieben, in dem er beobachtet und dokumentiert hat - er ist ja komplett diese Migrationsroute mitgefahren -, wie es dazu kam. Aus dem zeitlichen Abstand von jetzt mehr als 75 Jahren kann man das noch sehr viel genauer beobachten."

Dabei hat den Regisseur vor allem das Wirtschaftssystem interessiert: "Wie der Kapitalismus mit solchen Dingen umgeht. Und dass es am Ende immer welche gibt, die doch profitieren. Wir haben nach dem Krieg diese Probleme nicht gehabt, die soziale Marktwirtschaft ist im Grunde ein Kapitalismus light. Aber mehr und mehr setzt sich bei uns der Anglo-Kapitalismus durch - und wir wissen nicht, wie wir ihm begegnen sollen. John Steinbeck war ein hervorragender Analytiker. Wenn wir genau zuhören, was in diesem Text steht, können wir sehen, worauf wir uns gefasst machen müssen. Dass sich der Kapitalismus in Konsumismus umwandeln wird. Man ist kein Arbeiter mehr, sondern wird zum Konsumenten. Denn das ist die Kraft, die gebraucht wird. Und wir stehen irgendwann vor dem Problem, dass wir es mit Menschen zu tun haben, die keine Aufgabe in der Gesellschaft mehr haben."

Es spielen: Mara Amrita, Sarah Horak, Sandra Schreiber, Teresa Trauth, Ulrich Kielhorn, Péter Polgár, Maik Rogge, Béla Milan Uhrlau und Matthias Zajgier.

Premiere ist am Freitag, 31. März, um 19.30 Uhr im Großen Haus. Kartentelefon (08 41) 30 54 72 00. Am 8. und 23. April gibt es jeweils eine halbe Stunde vor der Vorstellung eine Einführung.