Ingolstadt
Flucht aus der Wirklichkeit

"Pelzig: Weg von hier": Frank-Markus Barwasser zu Gast in Ingolstadt

09.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:43 Uhr

So kennt man den Pelzig: mit Karohemd, Cordhütle, Herrentäschchen, blitzgescheit und voller Zorn. - Foto: Erl

Ingolstadt (DK) Treffender, entlarvender, feinsinniger und dennoch humorvoller kann man die Abgründe der Politik und die scheinheilig verbrämte Gier der Mächtigen wohl kaum offenlegen. Fast drei Stunden - aber gefühlt nur einen Bruchteil davon - nimmt sich Frank-Markus Barwasser am Donnerstag im ausverkauften Festsaal Zeit, dieses systematische Zusammenspiel von Politik und Geld aus dem Nebel der Verschleierungen zu schälen.

Auch in seinem neuen Programm "Pelzig: Weg von hier" beweist sich der Unterfranke wieder als Meister in dieser Kunst des Kabaretts. Zusammen natürlich mit seinen imaginären Freunden Hartmut und Dr. Göbel, für die ganz dem sozialen Status entsprechend ein Weißbier und ein Glas Rotwein mit auf dem Tisch stehen. Doch es dauert seine Zeit, bis der Prolet und der Akademiker im Dreiergespräch mit Pelzig sich ihre ganz eigenen Ansichten zu Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft um die Ohren schlagen. Zuvor redet sich Frank-Markus Barwasser in seiner Kunstfigur als Erwin Pelzig mit zerknautschtem Cordhut, Trachtenanzug und Herrentäschchen am Handgelenk fast in Rage.

Stoff dafür liefert die Tagespolitik ja genug, die meisten Prügel bekommt dabei der rechte Rand ab. "Schlichtes Denken ist nicht verboten", attestiert er der AfD ebenso wie der CSU, und den Wunsch der FDP nach Charakter vergleicht er mit dem Phantomschmerz eines Beinamputierten. Die Flucht aus der Realität ist für ihn eine der größten Gefahren für das Gesellschaftssystem. "Demokratie könnte unmöglich werden, wenn wir keine gemeinsamen Tatsachen mehr haben." Barwasser schont sich nicht, die Geißelhiebe, Bonmots, Pointen und Satiren kommen ihm im Herzschlagrhythmus über die Lippen und fegen als Staccato über die Stuhlreihen bis hoch zur Galerie. Barwasser lässt den Zuhörern kaum Zeit, den jeweils letzten Geistesblitz zu verdauen. Und er teilt gewaltig aus. Donald Trump ist für ihn ein Reptilienwesen, das sich Mühe gibt, auszusehen wie Marilyn Monroe. Auch Tochter Ivanka bekommt viel Galle ab.

Barwasser hat gründlich recherchiert, zieht die Machenschaften der in Europa und weltweit führenden Politiker wie Trump, Erdogan, Putin und Merkel mit dem Schattenbanksystem ins Licht und benennt auch die Opfer. "Bezahlt wird das alles durch die Idioten, die man freundlicherweise Kunden nennt", ist seine konsequente Analyse. Warum können die das machen? "Weil man sie lässt", ist die klare Antwort ans Publikum. Barwasser ist trotz harter Worte ein Feingeist, ein Intellektueller in der Masse der Kabarettisten. Selbst dann, wenn er in seiner Dreifachrolle mit Hartmut und Dr. Göbel am Tisch sitzt und die Diskussion mit pragmatischer Stammtischrhetorik würzt. All dies hat er im aktuellen Bühnenprojekt wieder in ein feinsinnig austariertes Gesamtkonzept eingebunden. Nichts in seinem Programm ist zufällig oder nur ein Lückenfüller. Alles greift im Laufe des Abends ineinander.

Seine Empfehlung angesichts des schier unerschöpflichen, leidenschaftlich aufgetischten und nachvollziehbar recherchierten Themenvielfalt ist eindringlich. "Manche Entscheidungen muss man treffen - gerade jetzt. Davon träume ich, dass ich irgendwann kein Arschloch mehr bin", ist sein Finalsatz. Und noch eines gibt er den begeisterten Zuhörern mit: "Wir müssen die Ängste lächerlich machen, aber niemals die Leute, die Angst haben."