Ingolstadt
"Es war spannend, etwas Neues aufzubauen"

Der Maler Viktor Scheck ist seit fast 20 Jahren Geschäftsführer des Ingolstädter BBK Nun nimmt er Abschied

19.04.2017 | Stand 02.12.2020, 18:17 Uhr

In Zukunft hat er wieder mehr Zeit für sich und seine eigenen Bilder: Viktor Scheck, bis zur Mitgliederversammlung im Mai noch Geschäftsführer des BBK Oberbayern Nord und Ingolstadt, setzt sich gerne in seinem Atelier einfach hin und lässt die Bilder auf sich wirken. - Foto: Hammerl

Ingolstadt (DK) Fast 20 Jahre lang war er Geschäftsführer des Berufsverbands Bildender Künstler und Künstlerinnen (BBK) in Ingolstadt. Jetzt zieht sich Viktor Scheck (64) zurück, um sich mehr der eigenen Kunst zu widmen. Im Gespräch erzählt er, wie sich Kunst und Künstler im Lauf der Zeit verändert haben und warum es schwierig ist, einen Nachfolger zu finden.

Herr Scheck, warum hören Sie auf als Geschäftsführer beim BBK?

Viktor Scheck: Vieles im Leben ändert sich, auch die Kunst ändert sich. Ich bin Maler, dafür möchte ich wieder mehr Zeit haben.

 

Keine Probleme innerhalb des Verbandes?

Scheck: Nein, überhaupt nicht. Im Gegenteil. Wenn ich wollte, könnte ich gern noch weitermachen. Ich bin durchgängig einstimmig gewählt worden, und mir hat es viel Spaß gemacht. Ich habe viele Freundschaften geschlossen und kann auf eine positive Zeit zurückblicken. Es war spannend, und ist es immer noch. Damals war die Position neu, es war interessant, etwas Neues aufzubauen. Da sich in der Bildenden Kunst ständig etwas ändert, muss man immer wieder auf unerwartete Situationen reagieren.

 

Was hat sich denn konkret geändert in den vergangenen 20 Jahren?

Scheck: Junge Künstler organisieren sich heute anders, über soziale Medien beispielsweise. Sie benützen ihre Smartphones als Bodycomputer und machen auch viele Projekte über digitale Medien. An den Akademien arbeiten sie heute fast ausschließlich mit Transformationstechniken. Meine Generation ist mit Studien und Zeichnungen erzogen worden. Heute holt man sich Gegenstände und Inhalte mit ganz anderen Hilfsmitteln. Die Kunst hat sich unheimlich erweitert - inhaltlich und philosophisch. Heute gehört vieles dazu, was früher eigenständig war: Fotografie, PC, Performance. Video und Sozialprojekte haben sich an die Bildende Kunst angedockt. Da wird es einfach Zeit, das Feld Jüngeren zu überlassen, die sich schneller an die Gegebenheiten der Zeit anpassen können und den Verband für jüngere Mitglieder attraktiv machen.

 

Ist Verbandsarbeit heute überhaupt noch aktuell?

Scheck: Ein bisschen scheint mir die Verbandsarbeit aus der Zeit gefallen. Berufsverbände sind eine gewerkschaftliche Entwicklung der 70er-Jahre, nichts originär Kreatives. Der BBK ist 1980 in Ingolstadt gegründet worden und die ersten zehn Jahre waren von einem völlig anderen Künstlerbild geprägt. Ich kenne das nur aus dem alten Schriftverkehr. Die haben manchmal wochenlang über ihre Schreibmaschinen inhaltliche Grabenkämpfe über Protokollformulierungen ausgetragen. Meine Generation hat Kunst noch nicht als Broterwerb gesehen. Die heutige Generation ist anders gepolt. Die haben kapiert, dass es nichts bringt, mit brennendem Herzen und flammendem Pinselschwert durch die Gegend zu laufen und die Welt zu verbessern. Ideal wäre natürlich brennendes Herz, flammendes Pinselschwert und ein normales Auskommen.

 

Wird es schwerer oder leichter, als Künstler seinen Lebensunterhalt zu verdienen?

Scheck: Das weiß ich nicht. Ich glaube, es war zu keiner Zeit leicht. Die Jungen heute haben es insofern schwerer, als es immer mehr Leute gibt, die sich kreativ betätigen. Es wird enger, die Quantität der Produkte steigt. Ich sehe selten Arbeiten, von denen ich sagen kann, "so was habe ich noch nie gesehen". Eventuell müssen wir zurück zu den Naturvölkern gehen, vielleicht ist dort noch etwas zu finden was nicht so gefakt ausschaut. Aber ich will nicht ungerecht werden. Die Kunst hat sich heute anders positioniert. Eine Gratwanderung - so zwischen Kreativwirtschaft, Art Cologne, modischem Design und Kulturevent und dem Pinselstrich der "Kreativen Bewegungen" über Kurse, Seminare und Sommerakademien. Vielleicht sollte man wieder von vorn anfangen: Rot, Gelb und Blau und die Wahrheit. "Three accords and the truth!" Was mir noch auffällt: Kunst am Bau und im öffentlichen Raum wird weniger.

 

Aber da gibt es doch Vorgaben?

Scheck: Das sind nur Empfehlungen, keine zwingenden Vorschriften. Ein halbes bis ganzes Prozent der Bausumme für Kunst zu verwenden, das wird immer häufiger eingespart. Vielleicht, weil die Baukosten immer höher werden und die öffentliche Hand da Einsparpotenzial sieht. Auf jeden Fall war es in meinen ersten zehn Jahren als Geschäftsführer leichter, hier Projekte anzuschieben. Wir schieben immer noch an, aber es ist schwieriger geworden.

 

Haben Sie eine Idee, wie sich das lösen ließe?

Scheck: Sinnvoll wäre es, wenn Architektur und Kunst wieder zusammenwirken, Neubauten komplett über Kunst laufen zu lassen, die Kunst zu integrieren. Praktisch alle Gewerke lassen sich künstlerisch gestalten, Decken, Wände, Glasfenster, Türklinken, Treppengeländer, Lichtkörper, geflieste Wände und Böden. So wie es bis ins 20. Jahrhundert war. Man müsste die Künstler von Anfang an einbinden. Natürlich wird das etwas teurer, aber es lohnt sich. Gehen Sie mal in zehn Jahre alte Schulen - da kommt man sich vor wie in der Bahnhofhalle. Aber es gibt auch tolle Beispiele.

 

Nennen Sie doch bitte ein paar.

Scheck: Das Sportbad in Ingolstadt ist ein gutes Beispiel, oder der Polderbrunnen in Riedensheim oder die Kunst im Atrium im Gymnasium Gaimersheim und der kleine Marabubrunnen vor der Hohen Schule und vieles mehr. Hier muss ich das Kulturreferat der Stadt Ingolstadt sehr loben. Die Unterstützung für den BBK war und ist enorm, wir heißen zwar "Ingolstadt und Oberbayern Nord", aber es läuft fast ausschließlich über die Stadt. Ohne das Kulturreferat würde der BBK nicht so funktionieren. Und es ist nicht das Finanzielle, hinzu kommen die ideelle Förderung sowie Logistik und Technik und eine Empathie für die Kunst.

 

Darauf darf sich nun Ihr Nachfolger freuen, der auf der Mitgliederversammlung im Mai gewählt werden soll. Gibt es Kandidaten?

Scheck: Leider nein, das ist das Problem. Wir haben Anzeigen geschaltet, soziale Medien und die Verbandszeitung eingesetzt, Kulturämter und Kulturvereine informiert - bislang ohne Ergebnis.

 

Vielleicht, weil man fürchtet, dass es mehr Arbeit als Zubrot ist?

Scheck: Es ist ein Ehrenamt mit Aufwandsentschädigung. Das Gute ist, dass es kein fester Bürojob ist, man kann sich die Zeit frei einteilen. Es ist eine tolle Arbeit: Kontakte knüpfen und pflegen zu Kultur- und Bauämtern, zu Architekten, Städten und Landkreisen, sie über Wettbewerbe zu informieren und beraten, Kontakt zu halten zu anderen Vereinigungen Kunstschaffender, zu Akademien in Deutschland und im Ausland. Es geht weit hinaus über das, was Ehrenamtliche leisten können, deshalb wurde der Geschäftsführerposten ja vor 20 Jahren geschaffen.

 

Das Interview führte

Andrea Hammerl.

 

 

 

ZUR PERSON

Viktor Scheck wurde 1952 in Schrobenhausen geboren, heute lebt er in Neuburg, sein Atelier hat er im Schloss Niederarnbach. Er ist studierter Grafiker, wurde 1987 mit dem Kunstpreis der Stadt Schrobenhausen und dem zweiten Preis der Thomaskirche Ingolstadt ausgezeichnet. Seine Arbeiten im öffentlichen Raum sind in der ganzen Region in Schulen, Kindergärten, Schulen und öffentlichen Gebäuden zu sehen.